Johannes S. Wrobel: Die Verfolgung der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus - Rezeption, Rezension, Interpretation, in: Religion - Staat - Gesellschaft (RSG). Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen. Journal for the Study of Beliefs and Worldviews, hg. von / by Gerhard Besier / Hubert Seiwert, Duncker & Humblot, Berlin, vol. 4, no. 1 (2003), pp. 115-150, with English abstract (Inhaltsübersicht). Permalink: http://www.jwhistory.net/text/wrobel-rezeption2003.htm (Kopier-Erlaubnis / Copy permission.)
Von Johannes Wrobel
Die
Angehörigen der christlichen Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen (JZ)
widersetzten sich der NS-Ideologie und Eingliederung in die
„Volksgemeinschaft“. Nach dem Motto „Wer nicht biegen will, muß brechen“
verfolgten die Nationalsozialisten rigoros von 1933 bis 1945 unbeugsame
Erwachsene und Kinder, die sich den religiösen Prinzipien der Zeugen Jehovas
(ZJ) verpflichtet fühlten – durch Polizei, Gestapo, Justiz, Strafvollzug, SS
und andere Gliederungen, aber auch durch die Partei, Behörden, Schule und den
Arbeitgeber.[1] Die ZJ in Deutschland, auch noch „Ernste
Bibelforscher“ genannt, bedienten sich verschiedener rechtlicher
Körperschaften, die in religiöser Hinsicht Zweige anderer rechtlicher
Körperschaften sind. Dazu gehörte die Internationale Bibelforscher-Vereinigung,
deutscher Zweig e.V. (IBV), ein Zweig der International Bible Students
Association (IBSA), London / New York, und für den nichtgewerblichen,
religiösen Vertrieb von Druckschriften war es die Wachtturm Bibel- und
Traktat-Gesellschaft, deutscher Zweig (WTG), ein Zweig der im Deutschen Reich
rechtsfähigen amerikanischen Watch Tower Bible and Tract Society, Brooklyn
(WBTS), die seit 1921 als ausländischer Verein in Barmen eingetragen war und ab
1923 ihren Sitz in Magdeburg hatte.[2]
Wann
wurden JZ im „Dritten Reich“ formal verboten (einige Autoren nennen nur das
Jahr 1935)? Wann begann die Verfolgung? Unter Anwendung der Verordnung des
Reichspräsidenten „Zum Schutz von Volk und Staat“ vom [S.
116] 28. Februar 1933, die die Grundrechte außer Kraft setzte, war
die Glaubensausübung der ZJ ab April 1933 in immer mehr Ländern des Reiches
verboten worden. Am 24. Juni 1933 (formal nur einen Tag vor der
Wilmersdorfer „Erklärung“ der ZJ an die Reichsregierung) erging in Berlin das
strikte preußische Verbot, das mit der Zeit seine Wirkung im ganzen
Reichsgebiet entfaltete, so daß die bloße Zugehörigkeit zur IBV und die
Aufrechterhaltung des „Zusammenhalts“ unter Strafe gestellt waren. Die WBTS in Magdeburg
und Brooklyn versuchte vergeblich, die Reichsbehörden zu bewegen, JZ in
Deutschland das verfassungsgemäße Recht auf freie Religionsausübung
zurückzugeben. Gleichzeitig legte die Magdeburger WTG-Zentrale als geistlich
aufsichtführende Körperschaft die gottesdienstliche Tätigkeit der ZJ in die
Hände von Freiwilligen im Untergrund. Mit der Konsolidierung des NS-Regimes begann
die Verfolgung der Gläubigen zu eskalieren, was parallel (weniger kausal) zu
besonderen Ereignissen verlief: Ende 1934 (JZ-Brief- und -Telegrammaktion an
Hitler) und 1936/1937 (zwei reichsweite JZ-Protest-Flugblattaktionen) sowie
1939 (nach Kriegsbeginn, Kriegsdienstverweigerer und sogenannte Untergrund-„Funktionäre“
wurden von da an hingerichtet).
Zeitlich
anders verhielt es sich mit der rechtlichen Korporation der ZJ, der WTG,
die die Nationalsozialisten im April 1933 vergeblich aufzulösen versuchten, da
sie mit der amerikanischen WBTS und der britischen IBSA verbunden war. Die WTG bestand
sogar trotz des preußischen Verbots der IBV vom 24. Juni 1933 aufgrund formaler
Schwächen des Erlasses de jure fort. Die Deutschlandzentrale der ZJ mit
großer WBTS-Druckerei und Buchbinderei wurde dennoch am 28. Juni 1933 von der
SA besetzt, die umfangreiche Drucktätigkeit kam zum Erliegen, eine winzige
Rumpfbelegschaft durfte die Gebäude in Magdeburg hüten, aber bis 1935 nur noch
Kalender und eine Bibelübersetzung herstellen. Nach einer Periode juristischer
Auseinandersetzung, die für die WBTS kurzfristig erfolgreich war, erfolgte am
1. April 1935 schließlich der K.-o.-Schlag, der als „Reichsverbot“
bezeichnet wird – die endgültige amtliche Auflösung der Magdeburger WTG, wobei
die deutschen Vermögenswerte der WBTS einem amerikanischen Treuhänder in Berlin
unterstellt blieben. Die deutsche Leitung der ZJ hat 1933/1934 einen
bemerkenswerten, doch aussichtslosen Rechtskampf für die freie
Religionsausübung geführt. Vor dem Hessischen Sondergericht in Darmstadt kam es
im März 1934 zu einem (kurzlebigen) Sieg mit Freisprüchen der angeklagten ZJ
und dem Urteil, das IBV-Verbot sei „auf Grund der Verfassung ungültig“.[3] Der Rechtskampf [S. 117] und
die frühen Kontakte der ZJ und der WBTS zu deutschen Regierungsstellen, einschließlich
der Resolution vom 25. Juni 1933, können nicht als Anpassungskurs im Sinne
einer „Anbiederung“ an das NS-Regime oder als Kollaboration mißverstanden
werden, wie unten gezeigt wird.
Was
die regionalen ZJ-Historiographien zur Verfolgung von Erwachsenen und Kindern
und zu den zahlreichen Haftstätten in Deutschland, Österreich, den
Niederlanden, Polen und Frankreich sowie in anderen Ländern betrifft, so steckt
die explizite wissenschaftliche Aufarbeitung – von Ausnahmen abgesehen – noch
immer überwiegend in der Pionierzeit. Soweit erfaßt, sind von den
Nationalsozialisten über 12 000 ZJ in Europa verfolgt worden, darunter
sind rund 1 400 Todesopfer. Die Rezeption der Verfolgungsgeschichte in der
Öffentlichkeit und in der Fachwelt, damit auch in den Museen und Ausstellungen,
ist bislang noch marginal, selbst wenn Einzelschicksale von ZJ immer öfter
Erwähnung finden (so in der neuen Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Dachau), und
neuerdings Memorialtafeln in den Gedenkstätten Mauthausen (1998), Sachsenhausen
(1999), Buchenwald (2002) und Dachau (2003) auf sie aufmerksam machen. In der
großen musealen Holocaust-Ausstellung in Berlin (2002) wurden JZ durch die
Präsentation einer KZ-Jacke, diverser Dokumente und eines Straßenschildes
gewürdigt. Im Rahmen des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am
27. Januar haben die Landtage der Bundesländer Brandenburg (1999),
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg (2003) sowie Mainz (für den Landtag
Rheinland-Pfalz), Hildesheim (2003) und andere Städte der NS-Opfergruppe der ZJ
besonderen Raum gegeben.[4]
Sachbücher,
Essays und Dokumentationen zur Verfolgung der ZJ im Nationalsozialismus sind
notwendig und wünschenswert, und sie bringen die Forschungs- und
Erinnerungsarbeit zur NS-Opfergruppe weiter. Der von Hans Hesse und dem Verlag
Edition Temmen herausgegebene Sammelband Persecution and Resistance of
Jehovah’s Witnesses During the Nazi-Regime 1933-1945 (2001)[5] – Gegenstand einer englischen Buchbesprechung von
Richard Singelenberg in diesem Band – präsentiert ein Kaleidoskop wichtiger
historischer Generalia und Details zum Thema, zwei Beiträge von (kirchlichen)
Kritikern und markiert Ausgangspunkte für intensivere Forschungen. Die
Fallbeispiele [S. 118] der NS-Opfer
Johannes Steyer und Hans Gärtner lassen Geschichte lebendig werden. Der
Herausgeber dieser glänzenden Mischung wäre jedoch gut beraten gewesen, nicht
nur KZ-Briefe, sondern auch „Schlüsseldokumente“ der Verfolgungsinstanzen
abzubilden, und viele Forschende vermissen ein hilfreiches Sachverzeichnis.
Der
englische Sammelband ist ein Novum, was die Annäherung an das Thema der
Verfolgung der ZJ in zwei deutschen Diktaturen betrifft. (Auch in der
DDR waren JZ von rigiden staatlichen Zwangs- und Verfolgungsmaßnahmen betroffen.[6]) Für den englischen Leser gab es an
wissenschaftlichen Gesamtdarstellungen zur NS-Diktatur bislang das exzellente,
aber schwierig zu beschaffende Buch von Christine King (1982), das aus dem
Französischen übersetzte Buch von Sylvie Graffard / Michel Reynaud (2001),[7] das einer Kompilation diverser Quellen gleichkommt,
und einige verstreute Monogrophien, zu denen neuerdings der ursprünglich in
Deutsch (1994) veröffentlichte Aufsatz „The Purple Triangle. The
‘Bibelforscher’ (Jehovah’s Witnesses) in the Concentration Camps“ von Detlef
Garbe gehört.[8] Von einer Flut von Veröffentlichungen zum Thema kann
dennoch nicht die Rede sein, auch wenn das Literaturverzeichnis des
rezensierten Buches eine Menge deutscher Druckwerke der letzten Jahrzehnte
auflistet – dort spielen ZJ vielfach nur eine marginale Rolle. Nach dem
deutschen Standardwerk von Detlef Garbe (11993; 21994;
31997; 41999) kamen Bücher von
Hans Hesse (1998), Hubert Roser (1999) und Jürgen Harder / Hans Hesse (2001)
sowie Broschüren von Christoph Moß / [S. 119] Helen
Quandt (2000), Monika Minninger (2001) und anderen hinzu[9], außerdem Tagungsberichte[10], Biographien[11] und WBTS- und ZJ-Publikationen[12]. Die insgesamt doch geringe Zahl der deutschen
Sammelbände und Gesamtdarstellungen zu den verfolgten ZJ hält keinem Vergleich
stand mit den Publikationen zu anderen Opfergruppen, und deren sind Legion.
Dennoch ist die Zahl von Monographien ermutigend, die Kapitel oder Abschnitte
zu verfolgten ZJ enthalten, wie eine neuere Übersicht herausstellt.[13]
[S. 120]
II. Gutes Recht: Die „Erklärung“ vom 25. Juni 1933
Das
neue englische Fachwerk Persecution and Resistance (Hesse [ed.], 2001)
und sein deutsches Pendant „Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen
Jehovas“ – Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus
(Hesse [ed.], 11998, 22000) gleichen innovativen
Meilensteinen der historischen Forschung, die JZ aus dem Dunkel der
„vergessenen“ NS-Opfer ein gutes Stück weiter herausheben. Ähnlich avancierend
wirken zwei andere Veröffentlichungen: unter Fachhistorikern die vier Auflagen
des deutschen Standardwerkes von Detlef Garbe (1993ff., 41999), das bald
auch in Englisch erscheinen wird; und in der Öffentlichkeit die
Videodokumentation Standhaft trotz Verfolgung – Jehovas Zeugen unter dem
NS-Regime (1996),[14] weltweit in über 30 Sprachen erhältlich, die
allein in Deutschland und Brasilien jeweils über eine halbe Million Menschen
bei öffentlichen Vorführungen gesehen haben.
Die
wachsende Aufmerksamkeit gegenüber der NS-Opfergruppe, auch der Videofilm,
wurde von Institutionen und Historikern im In- und Ausland begrüßt, lockte aber
auch Berufskritiker der ZJ auf das Parkett der Geschichtsbetrachtung, die
positive historische Befunde, die die Gläubigen in ein günstiges Licht tauchen,
beargwöhnen, zu negieren oder relativieren suchen. Die Verwirrung ist komplett,
wenn Leser auf unverfrorene Falschinformationen der ehemaligen
DDR-Staatssicherheit, die JZ rücksichtslos bekämpfte, stoßen, zum Beispiel über
den „antisemitischen und profaschistischen Kongreß“ (Manfred Gebhard)
der ZJ bzw. WTG in Berlin-Wilmersdorf am 25. Juni 1933.[15] Zu den Sachinformationen kommen, wie Gerhard Besier
resümiert, „historisch-kritische Darstellungen aus früheren Jahren. Wie immer
man diese Geschichte beurteilt – zu einer pejorativen Beurteilung durch die
Großkirchen oder ihnen nahestehende Wissenschaftler besteht jedenfalls kein
Anlaß“[16]. Die pejorativen Beurteilungen wirken nach, scheinen
ihren Eindruck nicht zu verfehlen, wenn sich Autoren offenbar bedenkenlos der
Kritik an der „Erklärung“ vom Kongreß der ZJ in Berlin-Wilmersdorf am
25. Juni 1933 anzuschließen scheinen, wo angeblich [S. 121] gewisse „Gemeinsamkeiten mit den ‚hohen Idealen‘ des
nationalsozialistischen Staats“ (similarities with the ‚high ideals‘ of the
Nazi state) betont werden (259)[17]. Gerhard Besier sieht das anders:
„Der im Zusammenhang mit
dem Berliner ZJ-Kongreß vom 25. Juni 1933 immer wieder erhobene Vorwurf
der ‚Anbiederung‘ an das NS-Regime kann nicht aufrechterhalten werden. Was
hier, in der Petition und im Begleitschreiben an den Reichskanzler mehrfach zum
Ausdruck kommt, ist der unpolitische Charakter der ZJ, ihre Bitte um ungestörte
Religionsausübung und ihre Versicherung, ‚die öffentliche Ordnung und
Sicherheit des Staates‘ nicht gefährden oder gar bedrohen zu wollen.
Schließlich steht immer wieder die mißverständliche Formulierung zur Debatte,
wonach die ‚hohen Ideale, die sich die nationale Regierung zum Ziel gesetzt hat
und die sie propagiert‘, mit denen der ZJ übereinstimmten. Da gleichzeitig
erklärt wurde, Jehova Gott werde dafür sorgen, ‚daß alle, die Gerechtigkeit
lieben und dem Allerhöchsten gehorchen, zur bestimmten Zeit diese Ziele
erreichen werden‘, erfuhren die nicht näher genannten Ideale und Ziele eine
deutliche Eingrenzung. Wenn solche angepaßten Erklärungen und Tributleistungen
einer religiösen Gemeinschaft schon als ‚Anbiederung‘ gelten sollen, dann gibt
es zur Charakterisierung von Erklärungen deutsch-christlicher (DC) Bischöfe und
Theologen in diesem Kategoriensystem keine sprachlich angemessenen
Bezeichnungen mehr.“[18]
Recht
geben Gerhard Besier die Argumente und Quellen in den beiden detaillierten
Stellungnahmen von Gabriele Yonan (338 ff.) und Johannes Wrobel (312 ff.).[19] In Anlehnung an den gültigen Artikel 126 der
Reichsverfassung, „Jeder Deutsche hat das Recht, sich schriftlich mit Bitten
oder Beschwerden an die zuständige Behörde […] zu wenden“, konnten JZ damals den
Staatschef um unparteiische Anhörung und Aufhebung der bestehenden
Tätigkeitsverbote bitten. In der frühen Phase der neuen Regierung waren die
Adressaten nicht pauschal der „nationalsozialistische Staat“ (Nazi state),
sondern die Reichsregierung mit Hitler-Kabinett (das nur zwei
nationalsozialistische Minister hatte; im Januar hatte die IBV ihre Leser
aufgefordert, sich wegen gewisser Berhinderungen der WTG von behördlicher Seite
mit einem „geharnischten Protest an die Reichsregierung“ zu wenden[20]), die die Länderregierungen zur Rücknahme der lokalen
Verbote bewegen sollte. Die Frage der Legalität des nationalsozialistischen
Machterwerbs wird zwar „kontrovers diskutiert“, doch Dietmar [S. 122] Willoweit stellt fest: „Nach einer einfachen
methodischen Grundregel entscheiden über Recht und Unrecht stets die
Zeitgenossen im Horizont ihres Denkens, nicht die anderen Maßstäben
verpflichteten Nachfahren.“[21]
Als
sich der NS-Staat als totaler Unrechtsstaat entpuppte, brandmarkten ihn die
Schriften der ZJ als teuflisch. Manchmal wird aufgrund der politischen
Abstinenz der ZJ und ihrer biblischen Lehre von der prinzipiellen Macht des
Teufels über die Welt (Politik, Religion, Kommerz) fälschlich und
undifferenziert eine „bewußte Ablehnung jeder weltlichen Ordnung“ angenommen;[22] dagegen bietet das grundsätzlich gesetzestreue
Handeln der ZJ, gestützt auf das Jesuswort „Gebet denn dem Kaiser, was des
Kaisers ist, und Gott was Gottes ist“, ein differenziertes Bild.[23] Die neutralen Bürger des „Königreiches Gottes“
enthalten dem weltlichen Staat zwar Verehrung, Leben und politisches Mittun
vor, propagieren aber nicht, daß alle Regierungen vom Teufel konstituiert sind
(311 f.).
Um
der vergangenen Wirklichkeit gerecht zu werden, müssen bei der Interpretation
der „Erklärung“ der ZJ wie bei jeder anderen historischen Quelle auch die
Zeitbezogenheit und die historischen Rahmenbedingungen Berücksichtigung finden.
Antisemiten definierten 1936 die Wilmersdorfer „Erklärung“ und das gleichnamige
Flugblatt wie folgt: „‚Erklärung‘, Resolution der Ernsten Bibelforscher in
Berlin vom 25. Juni 1933 gegen das Vorgehen der deutschen Regierung. In
Millionenauflage verbreitet“ (Kursivschrift hinzugefügt).[24] Für die Nationalsozialisten waren dies Widerstands-
und Protestakte, worauf sie Verhaftungen und erste Einweisungen von ZJ in
Konzentrationslager (KZ) einleiteten; drei Tage nach dem Wilmersdorfer Kongreß schlossen
sie die Deutschlandzentrale der ZJ und ließen die IBV-Literatur verbrennen.
Auf
schriftliche Anweisung von J. F. Rutherford – Jurist und WBTS-Präsident in
der Weltzentrale der ZJ in New York – ging die kurzfristige Einberufung des
Wilmersdorfer Kongresses zurück; auch Datum und Zeitpunkt, formaler Ablauf, der
Inhalt der „Erklärung“ (present
the Declaration either before Mr. Hitler or the chief member of his cabinet)
und in Umrissen sogar der Begleitbrief, ein
Kongreßbericht (minutes of the meeting), der zusammen mit [S. 123] der „Erklärung“ dem Büro des
Reichspräsidenten, dem Reichskanzler und seinem Kabinett sowie anderen
Ministern vorgelegt werden sollte (copy
of the minutes, together with a copy of the Declaration, should be presented to
the high officials of the government from the president including the
Chancellor and his cabinet and other ministers), wobei die Magdeburger WTG-Leitung die Diktion des deutschen Wortlauts verantwortete.
Rutherford wünschte ferner, daß dem Sonderkongreß so viele deutsche ZJ
beiwohnten, daß sie alle deutschen Länder und Provinzen (seit April 1933
bestanden lokale Verbote!), jede IBV-Ortsgruppe sowie Millionen Leser (representing
millions of people who are in full sympathy with the delegates) überzeugend
repräsentieren würden. Der Regierung Deutschlands sollte mitgeteilt werden – so
die Anweisung Rutherfords –, daß die Resolution den Anwesenden vorgelesen und
„einstimmig angenommen“ (unanimously adopted) worden war, und so geschah
es dann auch. Nach der Annahme wurden noch religiöse Kurzreden gehalten. Der
Eindruck der Delegierten an diesem Sonntagvormittag, dem 25. Juni 1933 in
Berlin, daß nämlich die Redner bemüht blieben, der deutschen Obrigkeit nicht
unnötig Anstoß zu geben, gemäß dem Jesuswort „klug wie die Schlangen und ohne
Falsch wie die Tauben“[25], war objektiv korrekt. Enttäuschte ZJ unter den etwa
7 000 Anwesenden – sie hatten feurige biblische Reden erwartet – zogen aus
dem Taktieren jedoch subjektiv den Schluß einer Art Kompromißbereitschaft ihrer
Magdeburger Leitung und unterstützten die Annahme der Resolution daher „nicht
ganzherzig“[26]. (Ob es bei der Abstimmung in der vollen Halle eine
Gegenprobe durch Handzeichen gab, ist nicht bekannt.) Der verantwortliche
Landesleiter Paul Balzereit, der später immer größere
Kompromißbereitschaft offenbarte und im KZ seinem Glauben abschwor, meldete
Einstimmigkeit an Rutherford – ein weiterer Umstand, der unter JZ in der
Retrospektive zu der teilweise negativen Bewertung des Kongresses beigetragen
hat. Einige ZJ glaubten später, der gesamte Text der „Erklärung“ sei von
Balzereit abgeschwächt worden. Vergleiche zwischen dem Magdeburger Flugblattext
mit dem in Englisch und Deutsch in Brooklyn und Bern offiziell veröffentlichten
Originaltext (Declaration of Facts) zeigen jedoch, daß es nur zwei geänderte
Stellen gibt (was nur Insider wissen konnten) – eine harmlose Weglassung, die
Platz für eine Hinzufügung schuf.[27] Apostaten, Kirchenkreise und [S.
124] die Staatssicherheit der DDR, im Abwehrkampf gegen JZ und die WTG
vereint, nutzten den internen Dissens um den Wilmersdorfer Kongreß aus, um die
ZJ mit Übertreibungen und Falschdarstellungen in Kollaborateure des NS-Regimes
zu verwandeln, was bedauerlicherweise bis vor kurzem noch von einigen
Historikern kritiklos übernommen worden ist (310).
Über
das Begleitschreiben zur Resolution, das mit gebotener Höflichkeit und der
üblichen formalen Anrede „Sehr verehrter Herr Reichskanzler“ beginnt, können
Besucher der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin
folgendes lesen:
„Obwohl sich die Petition
an den Reichskanzler Hitler wendet, vermeidet sie die schon zu dieser Zeit
verbreitete Anrede ‚Führer‘. […] Wie auch Vertreter der großen Konfessionen
geben sich führende Zeugen Jehovas zunächst der trügerischen Erwartung hin,
Hitler sachlich über ihre Ziele informieren zu können. Sie hoffen, daß er die
Verfolgung beendet. Keinen Zweifel lassen die Zeugen Jehovas aber an ihrer
inneren Verpflichtung, nur dem Wort Gottes zu dienen.“
Die
biblischen Erörterungen in dem religiösen, unpolitischen Papier sind
zwar von Respekt vor der Obrigkeit getragen, aber dennoch klare Absagen an den
Nationalsozialismus, wie sie bereits vor 1933 von JZ publiziert wurden.[28] Die „Erklärung“ sagt unmißverständlich:
„Bildung, Kultur und
Aufbau des Volkes muß und wird kommen durch Gottes Königreich, worüber wir das
lehren, was in der Bibel niedergelegt ist. Das Heil der Menschen hängt ab von
ihrer richtigen Erkenntnis und ihrem Gehorsam Jehova Gott und seinen gerechten
Wegen gegenüber.“
Gleichzeitig
enthält die Wilmersdorfer Resolution Worte des Protests und der Warnung:
„Jehova Gott hat deutlich seinen Zorn zum Ausdruck gebracht gegen alle, die
seine Diener verfolgen.“ Wiederholt wird betont: „Die Hoffnung der Welt ist
Gottes Königreich unter der Herrschaft Christi“ und verkündigt: „Jehova Gottes
Macht ist über alles erhaben, und es gibt keine Macht, die ihm erfolgreich
widerstehen kann.“ Andere Vorwürfe in Verbindung mit dem Wilmersdorfer Kongreß
– sie waren erst viel später von polemisierenden Apostaten in die Welt gesetzt
und oft kolportiert worden – spielen in der ersten [S.
125] Auflage von Detlef Garbes Werk zwar noch eine Rolle, wurden in
seiner dritten Auflage jedoch korrigiert:
– kein
Singen der Nationalhymne, kein Deutschlandlied, sondern das alte religiöse
Bibelforscherlied Nr. 64 „Zions herrliche Hoffnung“ (Haydn-Melodie); schon
das aus Tausenden Kehlen erklingende „Zion“ hätte Antisemiten in Zorn versetzt!
–
und keine Hakenkreuzfahnen in der Wilmersdorfer Kongreßhalle.[29] (Gegner der ZJ lassen Augenzeuge Konrad Franke in der
von ihnen selbst gefertigten Tonbandtranskription einer seiner Rede sagen: „Als
wir hereinkamen, waren die Hallen mit Hakenkreuzfahnen geschmückt!“
Wahrscheinlich sagte Franke aber „ankamen“ statt „hereinkamen“. Vordem hatte in
unmittelbarer Nähe eine NS-Sonnenwendfeier stattgefunden, was eine bereits
vorhandene äußere Schmückung des Gebäudes mit Fahnen vermuten läßt; Fotos
belegen, daß während des Kongresses in der großen Tennishalle keine Fahnen
hingen. Irreführend ist Frankes Bemerkung, Lied Nr. 64 sei „jahrelang – und überhaupt
in Deutschland – nie gesungen“ worden „wegen seiner Melodie“; tatsächlich sang
man das Lied am 20. Mai 1929 auf dem Bibelforscherkongreß in Leipzig und
mancherorts in den JZ-Gemeinden bis 1933 und danach.)
Auf
die (angeblich) „teilweise antijüdische Diktion“ der Petition (somewhat
anti-Jewish style) (259), nicht mit Antisemitismus zu verwechseln, wird
unten näher eingegangen.
III.
1933–1945: Bibelforscher im KZ
Wann
wurden die ZJ in Konzentrationslager verschleppt (einige Autoren nennen das
Jahr 1936)? Sofort nach dem Sonderkongreß am 25. Juni 1933 und der
Verteilung der Resolution kamen die ersten ZJ in „Schutzhaft“; bis April 1934
saßen 400 ZJ in den frühen KZ (Colditz, Osthofen u.a.) ein. Mitte der
1930er Jahre – nach (aber auch bereits schon vor) den neuen
ZJ-Flugblattaktionen (Dezember 1936 und Juni 1937) sowie nach den
„Bibelforscher-Prozessen“ (1937) – wies die Gestapo verstärkt Gläubige in KZ
ein, zunächst in die KZ Sachsenburg, Esterwegen (Emslandlager) und Dachau sowie
Moringen und Lichtenburg (meist Frauen), dann auch in die neuen Stammlager
Sachsenhausen (1936), Buchenwald (1937), das Frauen-KZ Ravensbrück (1939) und
andere „Schutzhaftlager“. Der Anteil der ZJ an der jeweiligen Belegstärke der [S. 126] KZ betrug in der Vorkriegszeit „zwischen fünf
und zehn Prozent“ (Garbe), in den Frauen-KZ sogar über 40 Prozent.[30]
Die
Ursachen der schleppenden öffentlichen Aufarbeitung und der historischen
(universitären) Forschung, die sich analog zu der anderer „vergessener“
NS-Opfer vollzieht, sind komplexer Natur. Sie können jedoch nicht, nicht einmal
partiell, der Religionsgemeinschaft der ZJ angelastet werden, zum Beispiel
wegen einer vermeintlichen „Abschließung der Gruppe nach außen“ (the group’s
isolation from the outside world) oder weil „zu den Archiven der
Wachtturm-Gesellschaft […] Außenstehende keinen Zugang“ erlangten (the WBTS
kept its archives closed to outsiders) (257). Ein Archiv kann sich nicht
öffnen, wenn es nicht existiert.[31] Erst im April 1996 etablierte sich in Deutschland das
zentrale „Geschichtsarchiv“ der ZJ (History Archive), das die Primärquellenlage
zu verbessern sucht.[32] (Vor diesem Zeitpunkt unterhielten nur die WBTS-Zweige
der ZJ in Tschechien, Frankreich und den Niederlanden eine NS-Opferforschung.)
Dem Beispiel folgten die Zweige Polen und Österreich (1997), Rußland (1999), Schweiz
(2000) und andere Länder. Die internen Archivgründungen hingen kausal mit dem
Erfolg der erwähnten Videodokumentation Standhaft trotz Verfolgung (1996),
die das Interesse und Informationsdefizit bewußt machten, und nicht direkt mit
dem Körperschaftsprozeß der ZJ in Deutschland zusammen. (Die zunehmende
öffentliche Wahrnehmung der NS-Opfergruppe der ZJ, die während des
Rechtskampfes von JZ um die Gleichstellung ihrer Religionsgemeinschaft mit
anderen Kirchen einsetzte, wird natürlich begrüßt worden sein.)[33] Die Arbeit der Geschichtsarchive der ZJ ist [S. 127] strenggenommen keine Holocaust-Forschung. Die
Einweisungen der ZJ in die KZ begann fast ein Jahrzehnt vor dem Holocaust, der
Shoah, dem NS-Völkermord an den europäischen Juden im Rahmen der „Endlösung“.
Allerdings wird der Begriff „Holocaust“, der sich 1979 nach der Ausstrahlung
der gleichnamigen US-Fernsehserie in Deutschland einbürgerte, inzwischen immer
öfter auf Juden und andere NS-Opfergruppen gleichermaßen angewandt, wie
die erwähnte Holocaust-Ausstellung in Berlin demonstriert hat.
Eine
Besonderheit in der Hölle der KZ stellten die periodisch vorgelegten
„Verpflichtungserklärungen“ dar, womit sich ein ZJ von der „Irrlehre“ der IBV
lossagen und bezeugen sollte, „künftig die Gesetze des Staates“ zu achten. Die
Forschung kennt mittlerweile frühe und für einen ZJ mitunter durchaus
akzeptable Textvarianten, zum Beispiel aus dem Frauen-KZ Moringen, so daß hier
statistische Werte eine ganz andere Signifikanz erhalten als für die späteren
KZ,[34] was die Autoren Harder und Hesse in dem besprochenen
Band hervorheben (49). Pauschalisierend nur von einer „allegedly small number
of JWs who relinquished their faith“ (angeblich nur wenige ZJ
gaben ihren Glauben auf) zu sprechen
(Singelenberg), scheint angesichts der historischen Befunde wenig opportun zu
sein. Spekulative Fragestellungen, ob der „Gruppenzwang“ einen ZJ davon
abhalten konnte, der inhumanen KZ-Haft, dem Hunger, dem Massakrieren und
Sterben durch Unterschrift zu entkommen, sind wenig hilfreich. Tatsache ist,
daß der Gruppenzusammenhalt vielen ZJ das Leben rettete. Selbst die
Verfolgungsinstanzen wußten, daß die erpreßten Unterschriften nicht zuverlässig
waren und ein ZJ trotz Unterschrift weiterhin zu seiner inneren Überzeugung
stehen konnte, zum Beispiel wenn er sich nicht der verbotenen IBV, sondern nur
seinem Gott Jehova verpflichtet fühlte. Eine einzige Verweigerung konnte
die Verfolger in rasende Wut versetzen, was die Gewichtung hier nicht auf die
Zählung von Unterschriften legt, sondern mehr auf die moralische Qualität, die
jeder Unterschriftsverweigerung anhaftete. Zudem stellen Hans Hesse / Jürgen
Harder fest:
„Nicht allein an der
Unterschriftsverweigerung entschied sich der Widerstandsgeist einer Zeugin
Jehovas (so gab es viele Zeuginnen Jehovas, die zwar nicht unterschrieben, aber
sich den übrigen Verweigerungen ihrer Glaubensschwestern nicht anschlossen),
genausowenig wie umgekehrt geschlossen werden kann, daß eine
Unterschriftsleistung kategorisch weitere Widerstandshandlungen ausschloß.“[35]
Jeder Verweigerungsfall steht für sich, so daß Christine King in ihrer Rezension zum Sammelband feststellt: „This was no orchestrated mass resistance movement; this was a set of individuals, linked by their beliefs, who refused to [S. 128] bow the knee“ (Das war keine organisierte Massenbewegung des Widerstands, sondern ein Verbund von Individualisten, die im Glauben verbunden den Kniefall verweigerten.)[36]. Die individuelle Entscheidung hatte mit „theokratischer Kriegführung“ (Kriegslist) nichts zu tun, ein Begriff, mit dem JZ früher das Verschweigen oder „Verstecken“ wichtiger Informationen vor Feinden und Verbrechern in Zeiten akuter Gefahr für Leben und Gottesdienstfreiheit bezeichneten (wie Rahab im biblischen Kanaan, die einst zwei israelitische Kundschafter unter Flachs versteckte und die Häscher in die falsche Richtung laufen ließ). Rückblickend auf die Verfolgungszeit heißt es zusammenfassend im Wachtturm vom 15. April 1956:
„Angesichts der obenerwähnten
biblischen Beispiele befand sich Jesus im Einklang mit dem Geiste Gottes,
Jehovas, als er seine Apostel unterwies und sie wie Schafe unter Wölfe aussandte:
‚Erweist euch so vorsichtig wie Schlangen und doch so harmlos wie Tauben‘. Da
die unchristlichen ‚Wölfe‘ den ‚Schafen‘ den Krieg erklären und ‚tatsächlich
wider Gott streiten‘ wollen, ist es angebracht, daß die harmlosen ‚Schafe‘ im
Interesse des Werkes Gottes gegenüber den ‚Wölfen‘ Kriegslist anwenden.
Niemand, gegen den diese Strategie angewandt wird, wird dadurch
ungerechterweise verletzt, während dagegen die ‚Schafe‘ geschützt, das heißt
die Interessen, die den Schutz verdienen, gewahrt werden. Gott verpflichtet uns
nicht, die Dummheit der Schafe an den Tag zu legen und unserem kämpfenden Feind
in die Hand zu arbeiten. […] Wenn die wölfischen Feinde falsche
Schlußfolgerungen aus unseren Überlistungsmanövern ziehen, wird ihnen doch
durch die harmlosen Schafe, die in ihren Beweggründen so arglos wie Tauben
sind, kein Leid angetan. Ihr Vorgehen entspringt nicht dem Hass eines Lügners.
[…] Die Bedrücker der Schafe so zu überlisten, bedeutet nicht etwa, daß man
verfehle, ‚dem Kaiser die Dinge zu geben, die des Kaiser sind‘. (Matth. 22:21)
Wenn Jehovas Volk vom wölfischen Feind ins Versteck getrieben wird, gleichwie
David von Saul in die Höhle Adullam und in andere Höhlen getrieben wurde, dann
ist ihr unterirdischer Gottesdienst kein Werk des Truges und der Lügen, nur
weil er nicht offen vor den gierigen Augen der Wölfe vor sich geht.
(2. Sam. 23:13; 1. 22:1; 24:3-10; 1. Kön. 18:4, 13)“ [37]
Gegner
der ZJ mißdeuteten die defensive Schutzvorkehrung oder funktionierten sie, so
in der DDR, zur Diskreditierung der ZJ um.[38]
Zur
Ablehnung von Blutwurst im KZ schreibt Richard Singelenberg: „It is improbable
that the refusal to eat these products was based on doctrinal foundations since
the well-known WBTS teaching to abstain from blood (including blood
transfusions) was not promulgated until 1945“ (Unwahrscheinlich ist, daß
sich die Weigerung, solche Lebensmittel zu essen, auf Glaubensdoktrinen
gründete, da die bekannte WBTS-Lehre, sich des Blutes zu enthalten
[Bluttransfusionen eingeschlossen] [S. 129] erst
ab 1945 verbreitet wurde). Bereits 1927 (deutsch
1928) gab allerdings der englische Wachtturm, das Sprachrohr der ZJ,
Hinweise zur biblischen Lehre von der „Heiligkeit des Blutes“, und im Januar
1939 erklärte die Zeitschrift explizit in Deutsch (in Englisch 1938):
„Wenn ein Mensch ein Tier als Nahrung
braucht, darf er es befugterweise töten und sein Fleisch essen; doch darf er
das Blut nicht essen; denn das Leben ist im Blute, und das Leben gehört Jehova:
‚Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das Kraut, das grüne,
gebe ich euch alles. Nur Fleisch, das seine Seele – sein Blut – noch in sich
hat, dürft ihr nicht essen‘ (1. Mose 9:3, 4; rev. Zürcherbibel).“[39]
Die
gleiche Aussage über das biblische Blutverbot steht im Schweizer WBTS-Buch Die
Rettung (englisch Salvation, 1939),[40] das wohl 1939/1940 erschien, und die Exegese
erreichte die ZJ in Hitlerdeutschland in verbotenen Untergrundschriften, worauf
vielen ZJ die Tragweite des Blutverbots bewußt wurde. Häftling Erich Mundt
bemerkt über die Situation unter JZ im KZ Sachsenhausen:
„Im Sommer 1940 sickerte die Nachricht durch, daß Christen
sich vom Blutessen enthalten müssen. Darüber entstanden dann heftige
Diskussionen, denn keiner war in der Lage, dies richtig zu erklären. Doch als
in dieser Zeit holländische Brüder ins Lager eingeliefert wurden, berichteten
sie, was der Wachtturm über diese Dinge gelehrt hatte. Die holländischen Brüder
zeigten uns dann durch ihr Beispiel, daß sie keine Blutwurst mehr aßen, und so
schlossen auch wir uns ihnen an.“
Ein
Hinweis zur Interpretation von ZJ-Quellen: Erich Mundt beobachtete „heftige
Diskussionen“. Doch was ZJ als heftig und extrem ansehen, kann objektiv
durchaus einen geringeren Grad der Intensität haben, zumindest für
Außenstehende. So gab es unter den ZJ-Frauen im KZ Ravensbrück solche,
die sich überdurchschnittlich streng verweigerten und von der SS als „Extreme“
bezeichnet und besonders hart drangsaliert (und schließlich ermordet) wurden,
was die übrigen ZJ zwar bitter beklagten, ohne damit aber die religiöse
Homogenität und den Zusammenhalt mit ihren „Schwestern“ aufzukündigen.[41] Auch die Wahrnehmungen und Beurteilungen der ZJ durch
Mithäftlinge, die sich erheblich voneinander unterscheiden können, sind
kritisch abzuwägen: Neben Respekt für die konsequente, mutige Haltung der ZJ
gab es Unverständnis über ihre Motivation, auch Mißtrauen und Vorbehalte, die größtenteils
ideologisch bedingt waren. Richard Singelenberg bringt im Kontext der
Blutwurstverweigerung die Beobachtungen der Kommunistin Margarete Buber-Neumann
[S. 130] ein, die als Blockälteste die ZJ in
Ravensbrück beaufsichtigte und deren Wahrnehmungen von anderen Wissenschaftlern
wie folgt analysiert worden sind:
„Die
Beschreibung geht über das bloße Schildern des Erlebten hinaus. Sie
transportiert ein negatives, ja abschreckendes Bild. […] Diesen negativen
Wertungen stehen andere, positive gegenüber. Allesamt unterstreichen sie die
ambivalente Wahrnehmung der ‚Bibelforscherinnen‘ in dem KZ. […] Respekt und
Bewunderung auf der einen, Ablehnung und Unverständnis auf der anderen Seite
blieben die beiden Pole der Wahrnehmung der Zeuginnen Jehovas in dem FKL
Ravensbrück durch die Angehörigen anderer Häftlingsgruppen“ (Hesse / Harder).
– „Sie hatte als Atheistin keine
besonderen Sympathien für die Bibelforscher und ihre religiösen Motive. An
manchen Stellen spürt man die Absicht, sie lächerlich zu machen, gleichzeitig
die Unfähigkeit, Parallelen zur eigenen ehemaligen kommunistischen
Weltanschauung zu ziehen. Gerade deshalb wirkt die Darstellung realistisch und
authentisch“ (Yonan).[42]
Einleitend
bemerkt Richard Singelenberg: „The organization’s claim, made in the 1960s,
that they [the sad statistics] reflect a persecution ‘worse than that of the
Jew’ is an untenable assertion from any perspective“ (Die von der
Organisation in den 1960er Jahren gemachte Aussage, dass sie [die traurige
Statistik] eine Verfolgung schlimmer als die der Juden widerspiegele, ist in
jeder Hinsicht unhaltbar.). Gemessen an den
sechs Millionen jüdischen Opfern der Shoah erscheint die Aussage von 1960
zunächst befremdlich. Doch der fragliche Satz in dem exegetischen JZ-Werk, der
damit in erster Linie theologisch (nicht
wissenschaftlich historisch) zu sehen ist, steht im Kontext mit einer Auslegung von Offenbarung 16,9 (die Verfolgung der ZJ als Ausdruck des Wütens Satans
gegen das Volk Gottes, das hier religiös als äußerst schwerwiegend gewertet
wird) und dem vom Papst 1933 proklamierten „Heiligen Jahr“ und lautet:
„Unterrichtete Personen wissen, daß sich in jenem Jahr Hitler zum Nazi-Diktator
Deutschlands erhob, daß über Jehovas Zeugen von seiten der Nazis eine
entsetzliche Verfolgung hereinbrach, die schlimmer war als die der Juden, und
daß die nazi-faschistischen Achsenmächte in jenem Jahrzehnt den Völkerbund
torpedierten und den blutigen Zweiten Weltkrieg entfachten“ ([…] in that same year [1933] Hitler became dictator
of Nazi Germany, a horrible Nazi persecution of Jehovah’s witnesses, worse than
that on the Jews, began.)[43] Die WBTS-Verfasser hatten mit Sicherheit die Aussage
eines jüdischen KZ-Überlebenden im Sinn, die 1942 in London veröffentlicht
wurde: „The Earnest Bible Students were treated the most brutally, even more
brutally than the Jews.“ (Die Ernsten Bibelforscher wurden am brutalsten
behandelt, sogar [S. 131] schlimmer als die
Juden.)[44] Er beschreibt hier eine Situation, wie sie 1937/1938
bestand, als die SS die ZJ im KZ Dachau (ähnlich in anderen Lagern) besonders
brutal behandelte, sie isolierte, mit Sonntagsarbeit und Schreibverbot belegte
sowie in der Strafkompanie „bis an den Rand
der Vernichtung“ (ein Betroffener) peinigte. (Erst nach der barbarischen
Reichspogromnacht zum 10. November 1938, die die Vertreibung der Juden ins
Ausland forcieren sollte, füllten sich die KZ Buchenwald, Dachau und
Sachsenhausen, wo es die meisten ZJ gab, mit Juden.) Wenn die ZJ in den KZ der
Vorkriegszeit gemäß dem jüdischen Augenzeugenbericht „sogar schlimmer als die
Juden“ (even more brutally than the Jews) behandelt wurden, dann kann
die Feststellung, daß 1933 „eine entsetzliche Verfolgung hereinbrach,
die schlimmer war als die der Juden“, in diesem religiösen Kontext nicht falsch
sein, da sie sich nicht auf die Shoah bezieht. Aus der Wachtturm-Literatur
isolierte Zitate erscheinen weniger suspekt, wenn man sie im Zusammenhang
liest.
Die
SS-Terrorgewalt gegen die ZJ, „besonderes Haßobjekt der SS“, die „mit
unvorstellbarer Grausamkeit“ (Garbe) gegen sie wütete, war tatsächlich
zeitweise intensiver als anderen Häftlingsgruppen gegenüber, und sie verstärkte
sich noch mit Kriegsbeginn.[45] (Im Mai 1945, nach der Besichtigung des befreiten KZ
Buchenwald, konstatierte Journalist Björn Hallström: „In Tat und Wahrheit
wurden sie schlimmer behandelt als irgendeine andere Gruppe. Aber es gelang
ihnen durch ihren Glauben an Gott besser als irgendwelchen anderen, diese
Leiden zu überstehen. Die andern Gefangenen bestätigen dies ebenfalls.“[46]) Dann, ab Ende 1942/1943, verbesserte sich graduell
die Lage der ZJ innerhalb des KZ-Systems, was im Rahmen der neuen SS-Politik
geschah, angesichts der Kriegskosten die Arbeitskraft der KZ-Häftlinge
effizienter auszubeuten. Albert van de Poel beobachtete die gemeinsame Unterbringung
der ZJ mit den Juden im KZ Neuengamme und schreibt:
„Schließlich wurden im Jahr 1942 die Bibelforscher zum
Arbeitseinsatz aufgerufen und selbst in Vertrauensstellungen gestellt. Und ihre
Aufteilung auf die verschiedenen Baracken bestätigte ihre Befreiung aus dem
Zustand ganz besonderer Unwürdigkeit [S. 132] und
Verachtung. Trotz ihrer nie verleugneten, unversöhnlichen Feindschaft gegen die
nationalsozialistischen Anordnungen!“[47]
Hohe
NS-Funktionäre unterwarfen die ZJ nun auch harter Zwangsarbeit in
SS-Haushalten, Lebensbornheimen, Handwerkskommandos oder Landgütern und zogen
dabei Fleiß, Ehrlichkeit und handwerkliches Geschick der ZJ, denen Flucht und
Sabotage fremd waren, mit ins Kalkül.[48] Die „bessere“ KZ-Haftsituation für einen Teil der ZJ
kann nicht relativiert oder mit dem Geschick der Holocaust-Opfer in den
Todesfabriken verglichen werden. Als KZ-Häftlinge mit dem lila Häftlingswinkel
blieben diese bedauernswerten Menschen erniedrigt und der Freiheit beraubt,
rechtlos und der Willkür des Wachpersonals ausgeliefert, unzureichend verpflegt
und ärztlich versorgt; bei „falschem“ Verhalten drohten noch immer Strafen oder
unter Umständen der Tod.
Des weiteren schreibt Rezensent Singelenberg: „Daxelmüller, in his paper, states that the Gestapo and the SS misused them as informants by letting them co-supervise other prisoners“ (Daxelmüller schreibt in seinem Aufsatz, daß die Gestapo und die SS sie als Kalfaktoren einsetzten und so als Informanten mißbrauchten.). Christoph Daxelmüller bewertet die Verwendung von ZJ (hier im Gefängnis) zwar als „Mißbrauch“, nicht aber sein Zeitzeuge Hanns Lilje, den er zitiert, und der davon spricht, daß die Gestapo die ZJ gern wegen ihrer Wahrheitsliebe „benutzte“ (because of their absolute love of truth, the Gestapo readily used them as ‚trusties‘ in various prisons) (29). Tatsächlich aber überwog beim späteren evangelisch-lutherischen Landesbischof Hanns Lilje das Lob für die ZJ, als er 1947 berichtete:
„Wegen ihrer absoluten Wahrheitsliebe
benutzte die Gestapo sie sehr gern in den verschiedenen Gefängnissen als
‚Kalfaktoren‘; denn in ihrer Wahrheitsliebe gingen sie so weit, daß sie auch
die Grenze der Kameradschaftlichkeit nicht gelten ließen. So war es für die
Gestapo leicht, mit ihrer Hilfe die anderen Gefangenen zu beaufsichtigen. Aber
ihnen gebührt trotz allem jene Achtung, die wir etwa den ‚Schwärmern‘ der
Reformationszeit schulden. Wie jene haben sie beispiellose Blutopfer gebracht
[…] Nun dienten sie auch bei uns und trugen unleugbar ein Element der
Menschlichkeit in das dunkle Haus. Nicht alle von ihnen sind dem
landeskirchlichen Pfarrer freundlich begegnet, aber meist waren sie gütig und
umgänglich. Noch in ihrer schwärmerischen Einseitigkeit waren sie menschlicher
als viele der SS-Jünglinge, die brutal und in jeder Hinsicht formlos waren.
Gustav aber, der für unseren Flur zuständig war und dessen Familiennamen ich
nie erfahren habe, trug eine achtjährige, zum Teil sehr schwere Gefangenschaft
mit einer fröhlichen und christlichen [S. 133] Gelassenheit,
an der alle Brutalität einer feindlichen Welt völlig spurlos vorübergegangen
war.“[49]
(Kursivschrift hinzugefügt)
Augenzeugen
bestätigen den positiven Eindruck: ZJ haben „sich nicht durch ihre
Vorzugsstellung korrumpieren lassen“, schreibt Hermann Langbein ausdrücklich –
er lernte die ZJ im KZ Auschwitz als „korrekt, hilfsbereit, freundlich“ kennen.[50] Bruno Bettelheim, einst selbst KZ-Häftling, stellt
keinen „Mißbrauch“ der ZJ durch die SS fest, sondern konstatiert:
„Weil sie gewissenhafte Arbeiter
waren, wurden sie oft als Kapos ausgewählt. Wenn sie das geworden waren und die
SS-Leute ihnen einen Befehl gaben, bestanden sie darauf, daß die Häftlinge die
Arbeit gut und in der dafür vorgesehenen Zeit verrichteten. Sie waren zwar die
einzige Gruppe von Häftlingen, die andere Lagerinsassen nie beschimpften oder
mißhandelten (im Gegenteil, sie waren in der Regel recht höflich gegenüber
ihren Mithäftlingen), aber die SS-Leute bevorzugten sie dennoch als Kapos, weil
sie arbeitsam, geschickt und zurückhaltend waren. Im Gegensatz zu dem ständigen
mörderischen Kleinkrieg zwischen den anderen Häftlingsgruppen mißbrauchten die
Zeugen Jehovas die Tatsache, daß sie mit den SS-Leuten zu tun hatten, nie dazu,
sich eine Vorzugsstellung im Lager zu verschaffen“ (Because of their
conscientious work habits they were often selected as foremen. But once a
foreman, and having accepted an order from the S.S. they insisted that
prisoners do the work well and in the time allotted. Even though they were the
only group of prisoners who never abused or mistreated other prisoners, S.S.
officers preferred them as orderlies because of their work habits, skills or
unassuming attitudes. Quite in contrast to the continuous warfare among the
other prisoners groups, the Jehovah’s Witnesses never misused their closeness
to the S.S. officers to gain positions of privilege in the camp.)[51]
Die
selektive Auswahl von Zitaten kann zu dubiosen Ergebnissen führen, was beim
„Antisemitismus“-Vorwurf besonders ernster Natur ist.
IV. Jehovas Zeugen und die Juden
Die
ZJ im Deutschen Reich begegneten Juden in ihrem sozialen Milieu und als
Mithäftlinge, und Juden konnten sich ihrem Glauben anschließen. Im religiösen
Schrifttum der ZJ und vor allem in der Bibel wird viel von Juden berichtet
(so von Jesus von Nazareth und den 12 Juden, den Mitbegründern des
Christentums, die Mißstände im jüdischen Establishment verurteilten, ohne [S. 134] „antijüdisch“ zu sein), was die Anschauungen
der ZJ prägte.[52] Die deutschsprachigen ZJ druckten im November 1938 –
praktisch vor der Reichspogromnacht – folgende klare Stellungnahme für das
jüdische Volk und gegen Antisemitismus:
„Zum Schluß
bedarf die Behauptung des Ministers Kerrl[53], auch
Christus habe einen unerhörten Kampf gegen das Judentum geführt, das ihn auch
deshalb ans Kreuz geschlagen habe‘, einer Richtigstellung; denn diese
Behauptung ist nicht mehr und nicht weniger als eine brutale Vergewaltigung des
biblischen Berichtes und ist bezeichnend für die Gesamteinstellung des
Reichsministers.
Die Speisung der Fünftausend an einem
Bergabhang, die vielen wunderbaren Heilungen, die Berichte über die Bergpredigt
des Herrn, über Jesus als Kinderfreund, über den Umgang des Herrn mit seinen
Jüngern und über den triumphalen Einzug in Jerusalem sind einwandfreie
Beweise für die Liebe und das Wohlwollen des Herrn Jesus Christus zum jüdischen
Volke. Sein Kampf galt lediglich den religiösen Götzendienern unter dem
jüdischen Volke, die – wie die Nazis – den Namen Gottes zum Schein und zur
Täuschung des Volkes im Munde führten, deren Herzen aber weit von Gott entfernt
waren (Matthäus 15:1-10). Es kann und darf nicht angehen, daß man das Wort
Gottes unwidersprochen und ungestraft zur Unterstützung der widersinnigen,
unvernünftigen ‚Rassentheorie‘, sowie der grausamen Propaganda des
Antisemitismus heranzieht. Gottes Wort der Wahrheit hat eine weit
ehrenvollere Aufgabe auf Erden zu erfüllen, die zu begreifen sehr
wahrscheinlich einem Nazi nicht gegeben ist.
Wahres, positives Christentum kann
nicht als Privilegium einer einzelnen Nation beansprucht werden, wie auch
Christus Jesus nicht speziell für die Deutschen starb und Jehova Gott die Erde
nicht lediglich der Deutschen wegen erschuf. Sein Wort sagt: ‚Und er hat aus
e i n e m Blute jede Nation der Menschen gemacht, um auf
dem ganzen Erdboden zu wohnen, indem er verordnete Zeiten und die Grenzen ihrer
Wohnung bestimmt hat, daß sie Gott suchen, ob sie ihn wohl tastend fühlen und
finden möchten, obgleich er nicht fern ist von einem jeden von uns‘
(Apostelgeschichte 17:26, 27). Weil die Zeugen Jehovas nicht der verkehrten,
unbiblischen Auffassung von einem ‚nationalen‘ Christentum beipflichten,
sondern dem Willen Gottes gemäß mit ihrer Brüderschaft in allen Nationen,
Zungen und Sprachen innig verbunden sind, darum glaubt man im Dritten Reich,
sie unter die Internationale des Kommunismus einreihen zu können. Dabei ist man
so inkonsequent, daß man die Internationalität der römisch-katholischen
Hierarchie gänzlich übersieht, weil man sie dort ganz einfach nicht sehen will,
und weil dieses heuchlerische Religionssystem vom gleichen Geiste wie der
Nazismus beherrscht ist.“[54]
(Kursivschrift hinzugefügt)
Hitler
und die Nationalsozialisten waren dagegen von einem programmatischen Haß auf
die Juden erfüllt und bezeichneten sich als „judenfeindlich“, „Judengegner“ –
antisemitisch. Die fanatischen Rassisten warfen den ZJ vor, [S. 135] aus ideologischen Gründen „ungemein
judenfreundlich“ und gegen ihre Rassengesetze zu sein, weil sie nachweislich alle
Menschen als gleichwertig ansahen.[55] In einer Pflichtlektüre für Sachbearbeiter in
staatlichen Dienststellen behauptete die Gestapo 1936:
„Das Ziel
der Bibelforscher ist die Vernichtung aller bestehenden Staatsformen und
Regierungen und die Aufrichtung des Reiches Jehovas, in dem die Juden als das
auserwählte Volk der Herrscher sein sollen. […] Die Rassegesetzgebung des
nationalsozialistischen Staates wird von den Zeugen Jehovas abgelehnt. Ihre
Lehre lautet: ‚Alles, was Menschenantlitz trägt, ist gleich.‘“[56]
Die
Ablehnung der NS-Rassenideologie durch die ZJ kam bei den Aburteilungen durch
die Sondergerichte immer wieder zur Sprache.[57] Völkisch-antisemitische Kreise hatten bereits in den
1920er Jahren gegen die „jüdische Wesensart“ der „Brooklyner Sekte“ haßerfüllt
gehetzt und am Gebrauch des Alten Testaments (AT) und des Gottesnamens Jehova
Anstoß genommen (316).[58] Während der Zeit des NS-Regimes eskalierte die
Situation. „Es gab nicht wenige Vertreter der Kirchen, die offen zum Judenhaß
aufriefen. Eine vergleichbare Situation ist bei den Zeugen Jehovas nicht
festzustellen“, befindet Detlef Garbe.[59] Wenn man nach 1945 versuchte, JZ eine
„verbrecherische Unterstützung der antisemitischen Hitlerpolitik“ zu
unterstellen (ein Relikt aus der DDR- bzw. MfS-Zeit),[60] so stellt sich zunächst die Frage: Wie haben die
deutschen ZJ damals die Juden behandelt, mit denen sie als Nachbarn,
Kunden oder Internierte in Berührung kamen?
Wie
die Belege zeigen, schloß die Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft der ZJ
die bedrängten Juden in Deutschland und in anderen Ländern ein. Einige
Beispiele: Martin Bertram (104 Monate
Haft) weigerte sich 1935, seine [S. 136] Bäckerei
in Frankfurt am Main als „Deutsches Geschäft“ zu kennzeichnen und Juden als
Kunden auszugrenzen; Familie Wismach in Soest kaufte trotz der wachsenden
judenfeindlichen Atmosphäre bei Juden und gab einer jüdischen Familie ein
Lämmchen für ihre Passahfeier. ZJ in Heilbronn brachten Juden nach dem
10. November 1938 heimlich Nahrungsmittel.[61] Eine Biographin der in Auschwitz ermordeten jüdischen
„Nesthäkchen“-Autorin Else Ury schreibt über die Hauswartsleute Neumann: „Sie
waren Zeugen Jehovas und ließen sich nicht durch die verordnete
Mehrheitsmeinung von ihrer Freundschaft und Hilfsbereitschaft zu den Urys
abbringen. Mutige Leute! Sie hatten schon Ärger bekommen und waren bei der
Gemeindeverwaltung negativ aufgefallen.“[62] Am 2. Juli 1939 lobte Der Tog, eine
yiddische Tageszeitung in New York, die ZJ für die praktische Hilfe, die sie
den Juden in Danzig leisteten, nachdem diese dort vom Einkauf in den
Lebensmittelgeschäften mit den Schildern „Juden unerwünscht“ ausgeschlossen
wurden.[63]
In
Berlin versteckte 1942 das Ehepaar Gumz Juden in seiner Wohnung;[64] 1943 verbarg eine ZJ den späteren Showmaster Hans
Rosenthal als jungen Juden ein Jahr lang in einer Gartenscheune und teilte ihr
karges Essen mit ihm.[65] In Amsterdam war es Andreas Schmidt, der in den
Kriegsjahren 26 Personen vor der Gestapo versteckte, darunter eine fünfköpfige
jüdische Familie; andere ZJ unterstützten ihn dabei. Die Deutschen lieferten
die ZJ Jeanne van Eijk aus Gouda wegen „Judenbegünstigung“ in das KZ Vught ein,
weil sie einem jüdischen Mädchen Obdach gewährt hatte; dort traf sie Jo
Wildschut und Annie de Min, andere ZJ, die im Frauenlager ihre Nahrungspakete
mit kranken Jüdinnen teilten, ihnen halfen, ihre Betten zu machen, Wasser
holten usw. Familie Bakker in Assen gewährte einem jüdischen Geschäftsmann
sechs Monate lang Unterschlupf. In der Kriegszeit „schmuggelte“ der ZJ und
Polizist van Gaalen Juden zu einem Versteck in einem Krankenhaus in Den Haag.
Im Vernichtungslager Auschwitz gab die Holländerin Manna Kamp einem jüdischen
Sänger regelmäßig Brot, so daß dessen Frau nach der Befreiung die ZJ fünf Jahre
lang suchte, um ihr zu danken.[66] Eine jüdische
Überlebende des KZ Lichtenburg (1938) bemerkte über ZJ: „Obwohl den
nichtjüdischen Häftlingen [S. 137] verboten
war, mit uns zu sprechen, richteten sich jene Frauen nicht danach, sondern
beteten für uns, als ob wir zu ihrer Familie gehörten, und ermahnten uns, stark
im Geiste zu sein und durchzuhalten.“[67] Über die Bibelforscher des KZ Buchenwald sagte ein Jude: „Sie waren andern
Gefangenen immer behilflich. Als am 10. November 1938 mit dem Pogrom
Massen von Juden in das Lager eingeliefert wurden, gingen die
‚Jehova-Schweine‘, wie die Wächter sie nannten, mit einer Brotration zu den
alten und ausgehungerten Juden und blieben dafür selbst etwa vier Tage ohne
Nahrung.“[68] In den
chaotischen Stunden vor der Befreiung dieses Lagers nahm die ZJ-Gruppe zwei
Juden auf und half ihnen zu überleben.[69] Die Literatur kennt weitere Beispiele, wie ZJ verfolgten Juden beistanden,
innerhalb der KZ Mitleid mit geschundenen Juden zeigten und Befehle
ignorierten, Juden zu mißhandeln.[70] Eva Fogelman bemerkt zusammenfassend: „Despite the
fact that Jehovah’s Witnesses were rounded up along with the Jews, they too
came to the aid of the Jews“ (Auch ZJ kamen den Juden zu Hilfe, obwohl
sie tatsächlich wie die Juden verhaftet wurden.)[71] Es überrascht nicht, wenn Detlef Garbe die ZJ von dem
„unter dem Rassenhass implizierenden Begriff ‚Antisemitismus‘“ freispricht,
Bewertungen, die ZJ seien Vertreter eines „‚religiös motivierten‘ (Kater,
Bibelforscher, S. 187)[72] bzw. ‚klaren Antisemitismus‘ (Penton, Story,
S. 42; ‚outright anti-Semitism‘)“[73] ablehnt und feststellt:
„Viele der
unter Berufung auf die ‚Wilmersdorfer Erklärung‘ in der Literatur getroffenen
Urteile gehen mit ihrer Kritik fehl bzw. werden dem Text und der Situation
nicht gerecht. So wird man nicht davon sprechen können, daß die Zeugen Jehovas
sich damit als ‚Antisemiten‘ bekannten […] Bezeichnungen wie ‚Sympathiekongreß [S. 138] für den Nationalsozialismus‘ […] sind
ebenso Resultat einer vom Willen zur Diskreditierung geleiteten Bewertung wie
die im ‚Gebhard‘, der DDR-Dokumentation von 1970, aus der
Erklärung herausgelesene ‚verbrecherische Unterstützung der antisemitischen
Hitlerpolitik‘ (Gebhard, Zeugen Jehovas, S. 166).“[74]
Es
war vor allem die eingangs erwähnte biblische Lehre vom gemeinsamen Ursprung
der Rassen (hinzu kamen die biblischen Gebote der Nächstenliebe und
Friedfertigkeit), die JZ veranlaßte, sich gegen Rassismus generell
auszusprechen[75] und Antisemitismus sowie Antijudaismus (Juden als
„Gottesmörder“ darzustellen und ihnen Ritualmorde anzudichten) abzulehnen[76]. Detlef Garbe stellt fest: „Ein christlicher
Antijudaismus war der Glaubenslehre der Bibelforscher in den zwanziger Jahren
gänzlich fremd.“[77] Ist dagegen der Vorwurf einer (scheinbar) „teilweise
antijüdischen Diktion“ der Resolution vom 25. Juni 1933 und anderer
IBV-Textstellen gerechtfertigt? Hatten JZ die fundamentale Lehre von der
Gleichheit aller Menschen zwischenzeitlich aufgegeben?
Seit
1881 enthalten die englischen WBTS-Publikationen Meldungen über
Judenverfolgungen in Deutschland,[78] Polen und anderen Ländern, wobei auch Mitgefühl für
die Verfolgten (shameless persecution […] dreadful hunting of the Jews)
(schamlose Verfolgung […] furchtbare Jagd auf Juden) zum Ausdruck kommt[79]. Versuche, die Juden zu bekehren, waren für die IBV
kein Thema;[80] ihre Schriften nährten dagegen zunächst die Hoffnung,
daß [S. 139] die
Zeichen der Zeit (Zionismus) das jüdische Volk überzeugen würden, nicht
Politikern, sondern Gott Jehova gehorsam zu folgen: „True Christians should
have the greatest interest in the Jew, not to try to make of him a Christian,
but to try to make him understand his place in God’s wonderful plan“ (Wahre
Christen sollten an einem Juden größtes Interesse haben, nicht um zu versuchen,
aus ihm einem Christen zu machen, sondern um zu versuchen, ihm seinen Platz in
Gottes wunderbarem Vorhaben verständlich zu machen.)[81] Vor 1931/1932 glaubte die IBV nämlich (eine Art
unpolitischer, religiöser „Zionismus“[82]), daß die Wiederherstellungs-Prophezeiungen der
althebräischen Propheten des AT erstens auf die Rückkehr der Juden aus dem Exil
in Babylon im 6. Jahrhundert v.u.Z. und zweitens auf die jüdische
Neubesiedelung Palästinas in der Neuzeit anzuwenden seien. Seit 1932 beziehen
JZ die zweite Erfüllung nur noch ausschließlich auf die in den Tagen der
Apostel gebildete „Kirche“ oder Christenversammlung im allgemeinen (griechisch ekklesía),
das „geistige Israel“ des Neuen Testaments (NT).[83] Bewirkte die neue Exegese eine Revision der
Stellungnahme, der Jude sei ein „ebenso hochwertiger Mensch“?[84] Die neue Sichtweise hatte keinen negativen Einfluß
auf die bestehende JZ-Lehre von der ethnischen Gleichstellung der Juden mit
allen anderen Menschen, was die Nationalsozialisten ja mit veranlaßt hatte, die
ZJ zu bekämpfen.[85] Die NS-Propaganda zitierte zum Beispiel empört aus
dem ZJ-Buch Leben (1929), wo es heißt: „Die Judenverfolgungen durch
sogenannte Christen sind einer der schwärzesten Schandflecke der
Weltgeschichte.“[86] Ebensowenig [S. 140] änderte
das neue Verständnis etwas am Mitgefühl der ZJ für verfolgte Juden, wie 1945
betont wird: “Today Jehovah’s witnesses entertain a wider view of
those prophecies which were once interpreted as applying only to Jews according
to the flesh and only to Palestine as the Promised Land. […] But this does not
mean that they are indifferent to the sufferings and the hopes of the fleshly
descendants of Abraham” (Heute vertreten JZ ein besseres Verständnis bezüglich
dieser Prophezeiungen, die früher so verstanden wurden, als wenn sie nur auf
Juden gemäß dem Fleische und auf Palästina als gelobtes Land anzuwenden waren …
Das bedeutet aber keineswegs, daß ihnen die Leiden und Hoffnungen der
fleischlichen Nachkommen Abrahams gleichgültig sind.)[87]
Einige
Beobachter meinen dagegen, daß ab 1932 „auch in den Veröffentlichungen der
Zeugen Jehovas ein gewisser religiöser Antijudaismus Einzug [hielt], der in
Rutherfords Reden und Schriften zuweilen mit religiösen Verwerfungen
einherging“, und in dieser Frage zeige „seine Argumentation nunmehr Ähnlichkeit
mit der in den großen Kirchen damals ebenfalls vorherrschenden antijüdischen
Sichtweise“; gleichzeitig wird eingeräumt, daß Rutherfords „Verwerfungsstil
allerdings primär religiösen Charakter“ habe.[88] Dieser in erster Linie religiöse Charakter der
Argumentation darf nicht neutralisiert und Rutherfords Redestil nicht
verallgemeinert werden. Die IBV-Schriften haben gelegentlich auch vor 1932 die
Typisierung jüdischer Kapitalisten verwendet, ohne „antijüdisch“ zu sein. So
zeigt die Zeitschrift Das Goldene Zeitalter (GZ) vom 15. Juni 1925
(Bern) auf der Titelseite eine Illustration zum Thema „Die Wiederherstellung
Israels“, nimmt auf die Wiederherstellungsprophezeiungen des AT Bezug und
bemerkt: „Allerdings sind es nicht die Geld- und Schacher-Juden, von denen hier
der Prophet redet; es wird ein gedemütigter, gottsuchender Überrest des Volkes
Israel sein.“ Wer das Zitat isoliert und übersieht, daß der vorangehende Artikel
„Alles zum Besten“ die jüdische Talmud-Geschichte von Rabbi Akiba als positiven
Erbauungsstoff für Bibelforscher rezipiert, verkennt die Situation.[89]
In
der Wilmersdorfer „Erklärung“ vom 25. Juni 1933 ist von „Handelsjuden“ (commercial
Jews) die Rede, ein Wort, das seit dem 19. Jahrhundert in deutschen
Wörterbüchern zu finden ist, also keine NS-Terminologie darstellt (316).
Gemeint war das „Geldjudentum“, ein Begriff, der zum Beispiel aus jüdischem
Mund auf dem ersten Zionistenkongreß 1897 fiel: „Max Nordau […] hat in seiner
Rede vom Sonntag einen schonungslosen Ausfall gegen das [S. 141] Geldjudentum unternommen, der in der Versammlung lauten
Beifall erweckte.“ Über die „100 oder 150 überreichen Juden“ sagte Nordau: „Für
das wahre Judentum haben sie nie etwas gethan, als etwa in einer Anwandlung von
prahlerischem Grossmut einige Almosen hingeworfen. Und nun geht seit
Jahrhunderten die Sage, die Juden besässen alle Macht und Herrschaft der Welt,
seien die Verkörperung des Mammons, während doch der überwiegende Teil unseres
Volkes mit der bittersten, tagtäglichen Not zu kämpfen hat“ (330, Anm. 88).[90]
Handelt
es sich bei den oben erwähnten ZJ-Zitaten um eine Art Antijudaismus im Sinne
einer Kampfansage an das jüdische Volk, gegen ihr Wesen oder ihre Religion?
Keineswegs, wie durch die eingangs zitierte Stellungnahme von 1938 deutlich
wird. Nobelpreisträger Thomas Mann war zum Beispiel das Gegenteil eines
Antisemiten und mit einer Jüdin verheiratet, doch die Charakterisierung und
Typisierung von Juden in seinen Werken während der NS-Epoche war „weit entfernt
von einer vorurteilsfreien Sichtweise“ und von Klischees des Jüdischen,
einschließlich positiver Stereotype. Doch hier – wie eine Analyse seiner
Schriften resümiert – „die Darstellung von Juden zu isolieren führt zu
verzerrten Einschätzungen“[91]. Ähnlich verhält es sich bei der Bewertung
zeitgenössischer Karikaturen von Juden in den IBSA- und IBV-Schriften oder wenn
Rutherford auf das starke soziale Gefälle zwischen armen und reichen Juden
reflektiert, die in New York, „Herz der Finanzwelt“ genannt,[92] lebten. Was immer der WBTS-Präsident über
einflußreiche Juden in New York, London oder anderen Städten subjektiv geäußert
hat – es war für JZ insgesamt nicht repräsentativ, und seine damaligen
Äußerungen entziehen sich Kategorisierungsversuchen der heutigen
Antisemitismus- und Antijudaismusdebatte. Der Antisemitismus-Diskurs der
Moderne und seine Definitionen dürfen nicht zu anachronistischen Vergleichen
führen, die den Blick auf den historischen Kontext eines Zitats verstellen.[93]
Unter
Eid sagte Rutherford am 26. August 1936 in Bern aus: “I have nothing in common with or nothing against any
person because he is a Jew. […] The charge that the organization and its work
is financed by Jews is entirely false and made without any excuse or justification” (Ich hege weder [S. 142] Sympathien
noch Antipathien gegen jemanden, nur weil er ein Jude ist. […] Der Vorwurf, die
Organisation und ihr Werk werde von Juden finanziert, ist völlig falsch und
entbehrt jeder Grundlage und Rechtfertigung.)[94] Die politisch neutralen ZJ, die gemeinnützig und nicht kommerziell tätig
waren, mußten sich seit den 1920er Jahren gegen die Vorwürfe von Antisemiten
wehren, sie seien von jüdischem Geld finanzierte, staatsfeindliche
Weltverschwörer.[95] Bei der Bewertung ihrer verbalen Abwehrreaktionen
darf dieser Kontext nicht ignoriert werden.[96] Hinzu kommt, daß nach JZ-Lehrmeinung Religion,
Politik und Kommerz (oder Handel, wobei Rutherford stellenweise darauf hinwies,
daß Personen jüdischer Herkunft, vor allem in New York, ein Rolle spielen) zum
Nachteil der Völker eng zusammenarbeiten – eine Allianz, die sie in ihren
Schriften auf biblischer Grundlage kritisierten (330, Anm. 87). Zu
berücksichtigen ist freilich, daß es zahlreiche das „Großkapital“, „Großgeschäft“
und die Geldmagnaten anklagende GZ-Artikel gibt – auch im Frühjahr 1933 in
Deutschland –, die mit keiner Silbe Juden erwähnen, was deutlich macht, daß das
„Geldjudentum“ nicht im Mittelpunkt der IBV-Schriften stand.[97] Hinzu kommen die IBV-Texte über die bedrückende
Allianz von Kommerz, Politik und Religion ohne jegliche jüdische Komponente.[98] Schließlich sind auch die GZ-Meldungen zu Palästina
nach 1932 zu berücksichtigen, die sachlich und neutral über die Juden
berichten, und das bis zur letzten Magdeburger Ausgabe vom 15. Juni 1933.[99]
[S. 143]
Während
es eine Fülle von englischen und deutschen ZJ-Schriften in den späten 1930er
und frühen 1940er Jahren gibt, die die eskalierende Judenverfolgung des
NS-Regimes verurteilen und dabei alarmierende Begriffe wie „annihilation“
(Zerstörung), „extermination“ (Ausrottung), „elimination“ (Beseitigung),
„obliteration“ (Auslöschung) und „destruction“ (Vernichtung) verwenden,[100] stellt sich die Frage, wie die Situation bei den ZJ
vor der Reichspogromnacht im November 1938 aussah. Die IBSA-Zeitschrift Golden
Age (GA) enthält explizit Verurteilungen der NS-Judenverfolgung in Artikeln
wie „Hitler’s Terror of the Jews“ (1936), „Insane Treatment of Jews“ (1937) und
„The Tragedy of Germany“ (Mai 1938).[101] Nachdrucke aus dem Manchester Guardian, wie
der Artikel „Mistreatment of Fleshly Israel“ (Oktober 1935), erschienen nicht
in Deutsch, weil die Zeitschriften GA und GZ inhaltlich nicht identisch waren
(anders der Wachtturm) und die selbständigen WBTS- bzw. GZ-Redaktionen
in Magdeburg (bis zum Verbot) und Bern (Schweiz) verständlicherweise meist
aktuelle Beiträge aus deutschsprachigen Medien vorzogen.[102] Das Berner GZ-Büro hatte die Judenfeindlichkeit
bereits im Juli 1935 gebrandmarkt:
„Es konnte
auch nur die nahe Verzweiflung sein, die ein kulturell so hochstehendes Volk
wie das deutsche veranlaßte, den Phrasen einiger Demagogen Gehör zu schenken
und sich ihnen zu unterstellen. Was anderes als ein Phrasenspiel ist nämlich
der jetzt in Deutschland populäre, ja das ganze Staatsleben beherrschende
Rassenmythus! Drohte der deutschen Rasse von Seiten der Juden wirklich eine
solch große Gefahr? – Daran glaubt kein vernünftiger Mensch. Der Einfluß der
jüdischen Rasse war im Vergleich zur Masse des deutschen Volkes ein derart
geringer, daß eine Reaktion von solch ungeheurem Ausmaß nicht im geringsten
gerechtfertigt war. Dabei ist noch zu beachten, auf welch schlüpfrigen Weg man
sich begab, indem man den Rassenkult zu einem solch mächtigen Panier über das
ganze deutsche Volksleben erhob. […] Neben den Gelehrten ist es die alte
politische Garde, die hohen Militärs, der Adel, ja selbst die Geistlichkeit –
alle scharen sie sich um das Rassenpanier, und die breite Masse folgt ihnen in
gutem Glauben und ahnt natürlich nicht, daß diesen Herren der Rassenkult nur
als Mittel zum Zweck dient.“[103]
[S. 144]
Um
ihre rabiaten Feinde nicht unnötig zu reizen, nahm die Magdeburger
GZ-Redaktion, ohne opportunistisch zu sein, verständlicherweise Rücksicht auf
die politische Situation im eigenen Land; zum Beispiel verzichtete sie auf die
folgende Meldung über den „Rattenfänger Hitler“, die nur in der deutschen Ausgabe
von Bern erschien:
„An der
Sitzung des Düsseldorfer Industrieklubs am 27. Januar [1933], auf der
Hitler seine grosse Rede gehalten hat, haben auch prominente jüdische
Industrielle teilgenommen, und zwar (laut ‚Jüdischem Echo‘ Nr. 17):
Bankier Elkan, Munitionsfabrikant Grünstahl, Justizrat Cohen, erster Vorstand
der liberalen jüdischen Gemeinde, Herr Fröhlich und Firma Fröhlich und Lippmann
und Direktor Nothmann vom westdeutschen Röhrenverband. Nach Beendigung der
hitlerschen Rede sprang Thyssen auf und bat die anwesenden Herren, Hitler durch
den römischen Gruss zu ehren, worauf sich alle, auch die jüdischen Herren,
pflichtgetreu erhoben und die Arme reckten. Worüber soll man sich nun mehr
wundern: über die Charakterlosigkeit der jüdischen Herrn oder über den schlauen
Rattenfänger Hitler?“[104]
Die
„jüdische“ Kritik der ZJ, die den Führerkult als Götzendienst ablehnten, ist
hier – und praktisch an allen anderen IBV-Textstellen – punktuell, also nicht
gegen das jüdische Volk gerichtet. Bereits im Januar 1933 brachte die
Zeitschrift GA den Reprint eines englischen Artikels, der die politische Lage
in Deutschland insgesamt und auch den Antisemitismus (Anti-Semitism) des
Nationalsozialismus und das Antijüdische (anti-Jewish sentiment) im Land
kritisch aus amerikanischer Sicht beleuchtete.[105] Der Artikel erschien nicht in Deutsch, was
verschiedene Gründe hatte, darunter die oben erwähnten. (Das deutsche GZ hatte
mit 16 Seiten zudem einen geringeren Umfang als die 32seitige englische
Ausgabe des GA.) Unmißverständlich sprach sich jedoch auch die reichsdeutsche
Ausgabe vor dem Verbot 1933 für die Lehre der Gleichheit aller Menschen aus,
wobei die Juden mit einbezogen wurden:
„Jeder Mensch auf der Erde, der das
Wort Jehovas, wie es in der Heiligen Schrift niedergelegt ist, ehrfurchtsvoll
und in Aufrichtigkeit des Herzens erforscht (ob er nun Deutscher, Franzose,
Jude, Christ, Freier oder Sklave ist), setzt sich über nationale Grenzen –
welche durch Mord mittels jeweiliger Kriege erweitert oder eingeengt werden –
hinweg; er wird international. Die Schuld daran, daß das arme und unterdrückte
Volk solche Begriffe nicht recht versteht, liegt nicht bei ihm, sondern sie
liegt bei verstockten und verblendeten Führern. […] Das ihnen anhängende Volk
aber folgt blind. Eine blinde Herde blinder Führer! Daher der Ausdruck Jesu
‚blinde Blindenleiter‘. […] Wie schrecklich wäre es, wenn nun Jehova wirklich
ein ‚nationaler‘ Gott wäre! […] Und doch standen bei allen Nationen verblendete
und heuchlerische Hirten auf den Kanzeln und schrien zu Gott, von dem sie
vielleicht annahmen, er sei ‚national‘. Dadurch verkehrten sie mehr noch als
bisher den Gott der [S. 145] Gerechtigkeit
in einen Gott des Unrechts und lästerten so seinen hohen Namen.“[106] (Kursivschrift
hinzugefügt)
Neben
der Gleichstellung des Juden mit anderen Menschen fällt auch bei diesem Zitat
die für IBV-Schriften typische kritische Auseinandersetzung mit religiösen
Führern des Judaismus der Tage Jesu (und der heutigen Christenheit) auf, ohne
dabei antijüdisch oder gegen das jüdische Volk zu sein.[107]
Im
April 1933 brachte das Magdeburger GZ in seiner Nachrichtenrubrik (die seit
1925 regelmäßig gepflegt wurde) neben anderen Kurzmeldungen auch die Meldung
über den Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland.[108] Da alle dort aufgelisteten Kurznachrichten ohne
Empathie und nur sachlich gemeldet werden, verkennt der Vorwurf von Richard
Singelenberg, „the matter-of-fact wording and the absence of any comment did
not demonstrate much compassion with the victims or aversion to these
enactments” (die trockene Formulierung und das Fehlen eines Kommentars
zeugt von wenig Mitgefühl für die Opfer oder einer Verurteilung des Vorfalls), hier den Kontext.
Nach
dem Verbot vom Juni 1933 konnte das deutsche GZ nur noch von JZ in der Schweiz
gedruckt werden. Neben dem zu Beginn erwähnten GZ-Artikel war ein weiterer
Aufsatz vor der Reichspogromnacht in Bern redigiert worden, der sich deutlich
gegen den NS-Antisemitismus richtete. In dem Artikel „Judenhaß“
(15. November 1938) fallen allerdings auch kritische Bemerkungen zu Juden,
was für heutige Leser eine Ambivalenz erzeugt, die vielleicht mißverstanden
werden könnte:
„Hunderttausende von Juden sind durch
den Rassenwahn in namenloses Elend gestürzt worden. Man denke an die weit über
600 000 in Deutschland und Österreich, die nach Aussprüchen hoher
Reichsbeamter dort nur noch das Recht haben zu sterben. […] Das nebenstehende
Bild aus Wien illustriert nicht im geringsten, mit welcher Grausamkeit in
diesem Kampfe vorgegangen wird. […] Während man zumindestens von einem Teil der
Juden sagen kann, daß sie sich durch krassen Materialismus in Verruf brachten,
ist von Jehovas Zeugen durchweg zu sagen, daß der Zorn gegen sie nur ihrem
mutigen Einstehen für die Ehre des Höchsten und für Wahrheit und Recht
entspringt. Doch bietet der Umstand, daß bei vielen Juden der Handelsgeist
überstark ausgeprägt ist, keinerlei Entschuldigung für derart grausame
Verfolgungen, wie sie die Nazis durchführen. Es ließe sich sogar darüber
streiten, wer materialistischer veranlagt ist: diejenigen, die sich – immerhin
mit viel Arbeit – ein Vermögen zusammengerafft haben, oder diejenigen, die es
ihnen auf dem Umweg [S. 146] über faule
Staatsdekrete oder Amtsmißbrauch und Erpressung einfach stehlen. Den Judenhaß
zu schüren, dient in den Totalstaaten als politisches Manöver. Da hat man doch
wenigstens immer einen Sündenbock zur Hand. Geht irgend etwas schief, schreit
der ‚Stürmer‘ sofort: ‚Die Juden sind unser Unglück!‘.“[109]
(Kursivschrift hinzugefügt)
Die
Kritik an Juden ist auch hier partiell, ohne ethnischen, biologischen
Hintergrund, nicht gegen das jüdische Volk gerichtet, nicht antijüdisch, weil
diese Sichtweise, die schon vor 1932 in den ZJ-Schriften zu finden ist, in der
Regel neutralisierende biblische Bezugspunkte hat, womit sie sich der
herkömmlichen Antijudaismus-Kategorisierung entzieht. (Das GZ kommentierte zum
Beispiel 1934 kritisch die Überführung der Gebeine Herzls nach Israel, nicht
aus „antijüdischen“ Gründen, sondern weil JZ gegen den „unbiblischen Reliquien-
oder Personenkult“ sind.[110]) Das wird durch folgendes GZ-Zitat aus dem Jahre 1935
im Rahmen der Abwehr der Weltverschwörungstheorie besonders deutlich:
„Es wird
aber nirgends [in der Bibel] behauptet, daß alle Menschen gezwungen werden
sollen, Juden zu werden. Im Gegenteil wird immer wieder hervorgehoben, daß die
Juden endgültig als Nation von Gott verworfen worden sind, sie keinen Vorzug
haben werden vor anderen Nationen, daß kein Fleisch Gelegenheit haben wird,
sich vor Gott zu rühmen. Ebensowenig wird der Satz ‚am deutschen Wesen soll die
ganze Welt genesen‘ Gültigkeit haben. Vor Gott besteht kein Unterschied der
Person und kein Unterschied der Nation, denn die Schrift lehrt, daß Gott alle
Menschen aus einem Blute erschaffen hat, und es heißt weiter: ‚Glückselig die
Nation, deren Gott Jehova ist‘, und damit ist nicht der Gott der Juden, sondern
der Allmächtige gemeint, der Gott aller Nationen, ohne Rücksicht auf Rasse,
Nation oder Sprache (Apostelgeschichte 17:26; Psalm 33:12).“[111]
Die
Verfechtung der biblischen Lehre vom gemeinsamen Ursprung des
Menschengeschlechts und der Gleichheit aller Menschen bewahrte JZ (die zudem
eine friedfertige Religion praktizieren, die Haß und Kriegsdienste ablehnt) vor
den damaligen Formen des Antijudaismus und Antisemitismus und erlaubte ihnen,
biblisch begründete (religiöse) Kritik am jüdischen Establishment der Zeit Jesu
zu üben (die neuere Zeit wird praktisch ausgeklammert[112]) oder gelegentlich damals übliche Stereotypen von
Juden zu verwenden, ohne damit rassistische Tendenzen zu verfolgen. (Wenn
Feinde der ZJ wie Heinrich Himmler oder Rudolf Höss behaupteten, JZ würden
„Juden, Papst u. katholische [S. 147] Kirche
fanatisch ablehnen“[113], dann gaben diese vorbelasteten Personen subjektive
Wahrnehmungen und singuläre persönliche Meinungen wider.) Diese Grundregel vom
schützenden Charakter der biblischen Gleichheitslehre gilt auch für aus
heutiger Sicht vermeintlich „antijüdische“ JZ-Zitate, die Kritiker meist ohne Rücksicht
auf Kontext und religiöse bzw. biblische Intentionen ins Feld führen. Am Schluß
eines 1957 (in Englisch 1956) veröffentlichten sachlichen, mitfühlenden
JZ-Artikels gegen die Judenverfolgung im allgemeinen erscheinen folgende Sätze,
die man ohne Berücksichtigung der Grundeinstellung der ZJ mißdeuten könnte:
„Was die
Juden im Laufe der Jahrhunderte erduldet haben, ist so grauenhaft, daß der
Mensch es nicht fassen kann. […] Die Verfolgungen, unter denen die Juden zu
leiden hatten, sind auch ein furchtbares Zeugnis für die Wahrhaftigkeit der in
der Bibel aufgezeichneten warnenden Worte an die Juden, was sie zu erwarten
hätten, wenn sie gegen das Gebot ihres Schöpfers, Jehovas Gottes, handeln
würden. (3. Mose 26:14-33) Auch sollten sie dadurch die Notwendigkeit erkennen,
ihr Vertrauen nicht auf Silber und Gold, noch auf Menschen oder menschliche
Einrichtungen, sondern allein auf Jehova Gott zu setzen.“[114]
Der
biblische Kontext macht hier deutlich, daß JZ nicht an einen Antisemitismus
oder Antijudaismus denken.[115] Ähnliche Kommentare über den Entzug der „Gunst
Gottes“ erschienen 1933. Sie beziehen sich auf die Zerstörung des zweiten
Tempels oder auf die neuen Heilserwartungen des NT:
„[…] Eine lange Zeit herrschte sogar
unter dem Volke Gottes [JZ] eine falsche Anschauung über das Judenproblem. ‚Das
Heil kommt von den Juden‘ – solche und ähnliche Redeweisen kennzeichneten diese
falsche Einstellung. Man stützte sich dabei auf verschiedene prophetische
Aussprüche, die jedoch in Wirklichkeit nicht auf das fleischliche, sondern auf
das geistige Israel Anwendung haben. […] Mit der Zerstörung des herodianischen
Tempels und der Vertreibung der Juden hörte das Vorbild auf, als welches das
Volk Israel von Gott gebraucht wurde, und damit auch dessen Vorzugsstellung. Die
Segnungen des Königreiches Gottes werden natürlich auch den Juden zuteil
werden, jedoch liegt keine Veranlassung vor, und die Bibel unterstützt
keineswegs die Annahme, dass den Juden dann eine besondere Behandlung
widerfahren wird. […] Die frühere Anschauung stützte man auch auf den Ausspruch
des Propheten: ‚Von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort Gottes von
Jerusalem‘. (Jesaja 2:3) Man schloss daraus, dass Jerusalem den Mittelpunkt der
irdischen Herrschaft Gottes darstellen wird. In Wirklichkeit aber weist diese
Prophezeiung auf die beiden Phasen der Königreichsherrschaft hin: auf die
himmlische, [S. 148] geistige (Zion), die
der regierende Teil sein wird, und auf die irdische (Jerusalem), den
ausführenden Teil. Die treuen Männer des Alten Testaments werden die
Statthalter Gottes auf Erden sein. (Psalm 45:17) Es ist aber garnicht notwendig
anzunehmen, dass sie in Jerusalem ihre Residenz aufschlagen werden. Übrigens
werden sie nicht als Juden auferstehen, soweit es überhaupt Juden waren,
sondern als Menschen, als vollkommene Menschen, denen ein Nationalitätsprinzip
gänzlich fernliegen wird. Ebenso werden dann alle Menschen, die überlebenden
und auferstehenden, zu einer Menschheitsfamilie wiederhergestellt werden. Jeglicher
Patriotismus und Rassenkult wird aufhören, und alle werden vereint Gott loben
und preisen.“[116]. (Kursivschrift
hinzugefügt)
Rund
einen Monat vor der Reichspogromnacht 1938 äußerte sich WBTS-Präsident
Rutherford in einer Rundfunkrede über die Verfolgung der Juden wie folgt: “The Devil has put his representative Hitler in control […] He cruelly
persecutes the Jews because they were once Jehovah’s covenant people, and bore
the name of Jehovah, and because Christ Jesus was a Jew” (Der Teufel hat dort als
seinen Vertreter Hitler zur Macht erhoben […] Auf unmenschliche Art verfolgt er
die Juden, weil sie einst Jehovas Bundesvolk waren und den Namen Jehovas
trugen, und weil Christus Jesus ein Jude war.)[117] Hier werden respektvoll die jüdischen Wurzeln des
Christentums anerkannt, wird die Verfolgung der Juden mit dem Feind Gottes in
Verbindung gebracht (sie war demnach keine Strafe Gottes!) und die
Vorzugsstellung der Juden (auf der Grundlage des abrahamischen und mosaischen
Bundes des AT) akzeptiert, die gemäß der NT-Theologie mit dem Erscheinen des Messias
ihr Ende nimmt.
Im
selben Jahr (1938) veröffentlichte die WBTS in der Schweiz einen ausführlichen
ZJ-Verfolgungsbericht, über den Gabriele Yonan feststellt: „Der gesamte Text
enthält keine antijudaistischen oder antisemitischen Äußerungen, im Gegenteil
wird an einigen Stellen auch auf die fälschlichen Beschuldigungen der Juden in
Deutschland hingewiesen.“[118] Die Religionswissenschaftlerin fügt ein Urteil hinzu
(341), das zu denken gibt: „Without the example of this steadfast Christian
group under the Nazi dictatorship, we would – after Auschwitz and the Holocaust
– have to doubt whether it was possible at all to fulfill the Christian
teachings of Jesus“ (Hätte es dieses Beispiel einer
standhaften christlichen Glaubensgemeinschaft unter der nationalsozialistischen
Diktatur nicht gegeben, so müßte nach Auschwitz und dem Holocaust an der
Erfüllbarkeit der christlichen Lehre gezweifelt werden.)[119] Landtagspräsident [S. 149]
Peter Straub bemerkte anläßlich der Gedenkfeier des Landtages
Baden-Württemberg für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2003 in
Ulm: „Völlig verweigert haben sich den Ansprüchen des Hitler-Regimes als
Religionsgemeinschaft nur die Zeugen Jehovas. […] Die individuelle Akte des
Widerstands waren Taten, die eine spezifische Stärke, ein besonders geschärftes
Gewissen und einen unendlich festen Glauben erforderten. […] Auch wenn die
meisten von uns ihren Glauben anders leben als die Zeugen Jehovas – vor der
Standhaftigkeit der Zeugen Jehovas gegenüber dem Nazi-Regime empfinden wir alle
höchsten menschlichen Respekt.“[120]
From the beginning of the Hitler era in 1933, Jehovah’s
Witnesses (International Bible Students Association, hereafter JW) were banned
and experienced an ever-escalating program of Nazi persecution through State and
societal mechanisms, including concentration camp imprisonment. Why target such
a minority? Because JW refused to cease their religious activity, stayed
politically neutral, rejected National Socialism and its ideology, and because
they were a living example of the equality-of-races doctrine. Within the
concentration camp system the Bible Students constituted a separate prisoner
category, which the SS stigmatized by a “purple triangle”. Those prisoners
could have bought their freedom with a signature, but evidently very few would
sign a renunciation of their faith. The book Persecution and Resistance of
Jehovah’s Witnesses During the Nazi-Regime 1933-1945 (Hans Hesse [ed.])
furnishes much relevant detail about the subject. This article takes a closer
look at Richard Singelenberg’s review of the Hesse anthology, focusing on
issues he raises in particular, e.g. the position of JW toward the Jews. Only
in recent decades has the notion been promoted – mostly by the former East
German State Security (Ministerium für Staatssicherheit, MfS, “Stasi”) and
religious polemicists focusing on a June 25, 1933, document known as the
Berlin-Wilmersdorf assembly resolution – that older Watchtower publications
supposedly contain “anti-Semitic” and “anti-Jewish” statements. Two articles in
the Hesse book, written by Gabriele Yonan and Johannes S. Wrobel, refute that
criticism.
When isolated comments about Jews are taken from JW
publications, the result is an interpretation that distorts the intent of the
excerpt or ignores its context. Eyewitness reports testify to the consideration
JW showed toward Jews in distress and to their readiness to help them. Gestapo
and Nazi courts, however, [S. 150] accused JW of
non-conformity in the Rassenfrage (“race issue”). The benevolent behavior
of JW toward the Jews during 1933 to 1945 is not overshadowed by supposedly
“anti-Jewish” remarks in their religious writings after 1932 – such statements
must be contextualized by a careful examination of JW publications, especially
German editions, whereby historical conditions and biblical intention are taken
into account. The JW’ biblically based conviction of the equality of all
“races” before God protected these peaceable citizens from supporting any
anti-Semitism or anti-Judaism. The application of definitions from the
anti-Semitic discourse of modernism can only lead to an anachronistic
misinterpretation of the significance of the quotations in question. Since the
historical facts speak for the integrity of the persecuted JW, governmental, academic,
and other non-religious institutions meet their stand during the Nazi era with
respect and recognition.
[Reaction to
Singelenberg, pp. 157-159]
[Zur Übersicht]
[1] Wenn nicht anders vermerkt, liegen den Angaben Quellen im Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas in Selters / Taunus (WTA) zugrunde, die angesichts ihrer Fülle hier nicht detailliert aufgelistet werden. Ebenso wird auf Belege für allgemeine Aussagen aus der Literatur zum Nationalsozialismus verzichtet.
[2] Vgl. Jehovas Zeugen aufs neue verfolgt, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 1. 1. 1933, 20-22. Die Religionsgemeinschaft der ZJ (damals IBV) und die Büros der WBTS und WTG befanden sich in Elberfeld (1902-1907), Barmen (1908-1923), Magdeburg (1923-1933 / 1935, 1945-1950) und Wiesbaden (1946-1984), heute in Selters / Ts. und Berlin.
[3] Vgl. Johannes Wrobel, Die nationalsozialistische Verfolgung der Zeugen Jehovas in Frankfurt am Main, in: Kirchliche Zeitgeschichte 16 (2003), (in Vorbereitung). Vgl. Persecution in Germany, in: The Golden Age vom 24. 4. 1934, 451-463. Verfolgungen in Deutschland, in: Das Goldene Zeitalter, Bern, vom 1. 6. 1934, 3-15; Franz Zürcher, Kreuzzug gegen das Christentum, Zürich / New York 1938, 75 ff.; Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974, Wiesbaden 1974, 109 ff.; Detlef Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im „Dritten Reich“, München 41999, 87 ff.
[4] Burkhard Asmuss (ed.), Holocaust. Der Nationalsozialistische Völkermord und die Motive seiner Erinnerung. Deutsches Historisches Museum, Berlin / München 2002, 6; 9; 196; 288. Siehe http://www.landtag.nrw.de, www.landtag-bw.de/aktuelles/pressemitteilungen und http://www.mainz.de/presse (Stand Januar 2003).
[5] Hans Hesse (ed.), Persecution and Resistance of Jehovah’s Witnesses During the Nazi Regime 1933-1945, Bremen 2001.
[6] Gabriele Yonan, Jehovas Zeugen – Opfer unter zwei deutschen Diktaturen 1933-1945, 1949-1989, Berlin 1999; Gerald Hacke, Zeugen Jehovas in der DDR. Verfolgung und Verhalten einer religiösen Minderheit, hgg. vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der Technischen Universität Dresden, Dresden 2000; Hans-Hermann Dirksen, „Keine Gnade den Feinden unserer Republik.“ Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der SBZ / DDR 1945-1990, Berlin 22003; Johannes Wrobel, Zeugen Jehovas im Strafvollzug der DDR, in: Gerhard Besier / Clemens Vollnhals (eds.), Repression und Selbstbehauptung: Die Zeugen Jehovas unter der NS- und SED-Diktatur, Berlin 2003, 201-227.
[7] Christine King, A Triumph of the Will; the Jehovah’s Witnesses, in: The Nazi State and the New Religions: Five Case Studies in Non-Conformity. Studies in Religion and Society 4, New York / Toronto 1982, 147-179;. Sylvie Graffard / Michel Reynaud, Jehovah’s Witnesses and the Nazis. Persecution, Deportation, and Murder 1933–1945, New York 2001.
[8] Detlef Garbe, The Purple Triangle. The “Bibelforscher” (Jehovah’s Witnesses) in the Concentration Camps, in: Dachau and the Nazi Terror 1933-1945, Vol. II: Studies and Reports, hgg. von Wolfgang Benz und Barbara Distel, Dachau 2002, 87-114. Vgl. Brian R. Dunn, The Death’s Head and the Watchtower: Jehovah’s Witnesses in the Holocaust Kingdom, in: Jack Fischel / Sanford Pinsker (eds.), The Churches’ Response to the Holocaust, Holocaust Studies Annual, Vol. II, Greenwood / FL 1986, 155-172; Gabriele Yonan, Spiritual Resistance of Christian Conviction in Nazi Germany: The Case of the Jehovah's Witnesses, in: Journal of Church and State, Vol. 41, Spring 1999, 307 ff.
[9] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium, 11993, 21994, 31997, 41999 (Anm. 3); Hans Hesse (ed.), „Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas“ – Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus, Bremen 11998, 22000. Hubert Roser (ed.), Widerstand als Bekenntnis – Die Zeugen Jehovas und das NS-Regime in Baden und Württemberg, Konstanz 1998; Hans Hesse / Jürgen Harder, „... und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte ...“ Die Zeuginnen Jehovas in den Frauenkonzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück, Essen 2001; Christoph Moß / Helen Quandt, Verfolgung und Widerstand der „Ernsten Bibelforscher“ (Zeugen Jehovas) während der NS-Zeit in Düsseldorf, hgg. von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Düsseldorf 2000; Monika Minninger, Eine bekennende „Kirche“ – Zur Verfolgung von Zeugen Jehovas in Ostwestfalen und Lippe 1933-1945, Bielefeld 2001. Bei André Geist / Sandra Nattland, Die „Ernsten Bibelforscher“ im Nationalsozialismus – Motivation und Formen des Widerstehens, Bielefeld 2000, handelt es sich um eine Arbeit im Rahmen des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten (Körber-Stiftung, Hamburg), von denen es eine Anzahl Aufsätze dieser Art gibt.
[10] Widerstand aus christlicher Überzeugung – Jehovas Zeugen im Nationalsozialismus. Dokumentation einer Tagung. Kreismuseum Wewelsburg, hgg. vom Fritz Bauer Institut und der Bundeszentrale für politische Bildung, Essen 1998; Zeugen Jehovas – Vergessene Opfer des Nationalsozialismus? Referate und Berichte der vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) und dem Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) am 29. Jänner 1998 veranstalteten wissenschaftlichen Tagung, hgg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 1998.
[11] Es gibt Autobiographien in Deutsch von Max Hollweg (21997), Hans-Werner Kusserow (32003), Simone Arnold Liebster (2002) Hermine Schmidt (2001) und Horst Schmidt (2003. Hinzu kommen Autobiographien von Erna Ludolph und Gertrud Pötzinger bei Hesse / Harder 2001 (Anm. 9). In Englisch: Simone Arnold Liebster (2002) und Max Liebster (2003).
[12] James Pellechia, The Spirit and the Sword. Jehovah’s Witnesses Expose the Third Reich. Watch Tower Society, Brooklyn 1995. Lila Winkel – die „vergessenen Opfer“ des NS-Regimes. Die Geschichte eines bemerkenswerten Widerstandes. Begleitheft zur Ausstellung, hgg. von der Wachtturm-Gesellschaft, Selters / Ts. 11999, 22003.
[13] Johannes Wrobel, Veröffentlichungen zur Verfolgung der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus, in: Besier / Vollnhals (eds.), Repressionen und Selbstbehauptung (Anm. 6), Anhang und http://www.standfirm.de.
[14] Standhaft trotz Verfolgung – Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime, 78 Minuten, Wachtturm-Gesellschaft (engl.: Jehovah’s Witnesses Stand Firm Against Nazi Assault), Brooklyn / Emmen NL 1996. Siehe http://www.jw-media.org/edu_videos/vcfi_01lo.htm (Stand 2003).
[15] Manfred Gebhard (ed.), Die Zeugen Jehovas. Eine Dokumentation über die Wachtturm-Gesellschaft. Leipzig / Jena / Berlin 1971 (BRD-Lizenzausgabe). Vgl. Dirksen, „Keine Gnade den Feinden unserer Republik“ (Anm. 6), 33 f.
[16] Gerhard Besier / Renate-Marie Besier, „Zeugen Jehovas / Wachtturm-Gesellschaft: Eine ‚vormoderne‘ religiöse Gemeinschaft in der ‚modernen‘ Gesellschaft? Gutachterliche Stellungnahme, in: Gerhard Besier / Erwin K. Scheuch (eds.), Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid, Teil II, Zürich / Osnabrück 1999, 119 f.
[17] Die Seitenzahlen in Klammern beziehen sich, wie in der englischen Rezension von Richard Singelenberg in Journal of Law & Religion, Vol. XVII, No. 1 (2002-2003), 101-119 und in diesem Heft, auf den englischen Sammelband von Hesse (ed.), Persecution and Resistance (Anm. 5).
[18] G. Besier / R.-M. Besier, Zeugen Jehovas (Anm. 16), 119 f.
[19] Hinweis des Verfassers in eigener Sache: Zahlreiche fundierte Texte sind in dem besprochenen Band in die gedruckten Anmerkungen des Sammelbandes verlagert worden, da die Manuskripte ursprünglich Verschriftungen von Fachreferaten mit limitierter Redezeit waren, was die überladenen Anmerkungen erklärt.
[20] Goldenes Zeitalter vom 1. 1. 1933 (Anm. 2), 22.
[21] Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Teilung Deutschlands, München 1992, 312 f.
[22] Helga Grebing / Christl Wickert, Widerstand von Frauen gegen den Nationalsozialismus, in: Frauen im Nationalsozialismus, hgg. von der Hessischen Landeszentrale für Politische Bildung, Wiesbaden 1994, 40.
[23] Matthäusevangelium, Kapitel 22, Vers 21, gemäß Elberfelder Bibel, 1905.
[24] Hans Jonak von Freyenwald, Die Zeugen Jehovas. Pioniere für ein jüdisches Weltreich. Die politischen Ziele der Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher, Berlin 1936, 101.
[25] Matthäusevangelium, Kapitel 10, Vers 16, nach Franz Eugen Schlachter, revidierter Text 1951.
[26] Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1974 (Anm. 3), 111. Siehe die von der WBTS revidierte Einschätzung des Kongresses in: Mutiger Kongreß oder Kompromiß?, in: Jehovas Zeugen begegnen mutig der Bedrohung durch den Nationalsozialismus, in: Erwachet! vom 8. 7. 1998, 12 ff.; http://www.watchtower.org/languages/deutsch/library/ g/1998/7/8/article_01.htm. [= https://wol.jw.org/de/wol/d/r10/lp-x/101998492]
[27] Die Hinzufügung und die zeitgenössische englische Übersetzung, die die Magdeburger WTG der WBTS in Brooklyn 1933 mitteilte, lauten: „Man möchte uns gestatten, hier darauf aufmerksam zu machen, daß in Amerika, wo unsere Bücher geschrieben wurden, Katholiken als auch Juden sich miteinander verbunden haben in der Beschimpfung der nationalen Regierung in Deutschland und in dem Versuch, Deutschland zu boykottieren wegen der von der nationalsozialistischen Partei verkündeten Grundsätze.“ (At this point it might be allowed to remark that in America, where our books were written, Catholics and Jews have united in insulting the national government in Germany and in the attempt to boycott Germany because of the principles announced by the national-socialist Party.)
[28] Vgl. HAKENkreuz?, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. 10. 1929, 316.
[29] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 103 f.
[30] Op. cit., 403. Vgl. Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 12.
[31] In staatlichen Archiven, vielfach noch unter Datenschutz, harren zigtausende Bibelforscher-Akten der Gestapo und NS-Justiz der akademischen Auswertung; eine zentrale Findliste existiert nicht.
[32] Vgl. Johannes Wrobel, How the Watchtower History Archive in Germany Benefits Holocaust Research, in: Shadow of the Holocaust. Second International Symposium “Lessons of the Holocaust and Contemporary Russia” – Moscow, May 4-7, 1997 (The Russian Holocaust Library), Moskau 1998, 285 ff.: „Although the Watchtower History Archive is not a public archive, Holocaust researchers and educators will greatly benefit from our work. We are pleased to answer questions and fulfill requests from memorial museums and researchers from all over the world, and to share the results of our research with others. “ Zur Arbeit dieses Geschichtsarchivs: ders., Ansprache, 55. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Ravensbrück und aus dem Zuchthaus Brandenburg – 14. bis 16. April 2000, 27. April 2000. Eine Dokumentation, hgg. von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten (ed.), Oranienburg 2000, 57 ff.
[33] Anerkennungsverfahren der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland, Bd. 1: 1990-1999, Bd. 2: Oktober 1999-Mai 2001, Selters / Ts. 11999, 22001.
[34] Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 66 ff., 98 f., 181 f., 207.
[35] Op. cit., 99.
[36] Christine King, Buchbesprechung, in: Kirchliche Zeitgeschichte 2 (2001), 577.
[37]
Wachtturm vom 15. 4. 1956, 246 f.; vgl. dass. vom 15. 1. 1936,
22; vom 15. 9. 1936, 283; vom 15. 3. 1939, 85 f.; vom 1. 7.
1957, 413 f.
[38] Vgl. Gebhard, Die Zeugen Jehovas (Anm. 15), 268; G. Besier / R.-M. Besier, Zeugen Jehovas (Anm. 16), 117.
[39] Wachtturm vom 1. 1. 1939, 4 f.; Watchtower vom 1. 12. 1938, 356. Vgl. Wachtturm vom 15. 1. 1928, 20.
[40] Die Rettung, Watchtower Society, Bern 1939/1940, 282.
[41] Vgl. Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 151 ff. Kirsten John-Stucke, Der „Lila Winkel“ in Wewelsburg, in: Widerstand aus christlicher Überzeugung (Anm. 10), 50.
[42] Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 138-140; vgl. 110. Yonan, Jehovas Zeugen (Anm. 6), 51 ff.
[43] „Babylon die Große ist gefallen!“ Gottes Königreich herrscht!, Wachtturm-Gesellschaft, Wiesbaden 1965, 550. „Babylon the Great Has Fallen!“ God’s Kingdom Rules!, Watch Tower Society, Brooklyn 1963, 550.
[44] Dachau (Exposing the Concentration Camp), „Chosen Books“ Wells Gardner, Darton & Co., LTD, London 1942, 48. Vgl. William Ebenstein, The Nazi State, Washington D.C. (1944, c. 1943), 215: „The sufferings of Jehovah’s Witnesses in the camps were even worse than those meted out to Jews, pacifists or Communists“ (Was die Zeugen Jehovas in den Lagern durchmachen mußten, war sogar schlimmer als das, was Juden, Pazifisten und Kommunisten auszustehen hatten.).
[45] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 407, 412 ff. und ders. in der „Standhaft“-Videodokumentation (Anm. 14).
[46] Björn Hallström, Svenska Morgonbladet, an IBSA, London, 18. Mai 1945, in: Trost, Bern, vom 15. 7. 1945, 4 f. und vom 15. 6. 1946, 4.
[47] Albert van de Poel, Ich sah hinter den Vorhang. Ein Holländer erlebt Neuengamme, Hamburg 1948, 105.
[48] Vgl. Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 451 ff.; Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 184 f.
[49] Hanns Lilje, Im finstern Tal, Nürnberg 1947, 63 ff.
[50] Hermann Langbein, … nicht wie die Schafe zur Schlachtbank. Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Frankfurt a. M. 1988, 189.
[51] Bruno Bettelheim, Aufstand gegen die Masse. Die Chance des Individuums in der modernen Gesellschaft, München 1960 (1964), 135; ders., The Informed Heart – Autonomy in a Mass Age, Glencoe / IL 1963, 123. Vgl. Yonan, Jehovas Zeugen (Anm. 6), 44 ff.
[52] Vgl. Matthäusevangelium, Kapitel 23.
[53] Hanns Kerrl war seit Juli 1935 deutscher Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten.
[54] Der Januskopf des Nationalsozialismus, in: Trost, Bern, vom 15. 11. 1938, 15.
[55] Pfarrer Seifert-Reichenbach, Wie kam man auf die Vermutung, daß die Lehre der Bibelforscher als judenfreundlich anzusehen sei?, in: Heimatklänge-Wernesgrün, Nr. 8, Auerbach im Vogtland, August 1933, 5 ff. Vgl. Detlef Garbe, „Sendboten des jüdischen Bolschewismus“ – Antisemitismus als Motiv nationalsozialistischer Verfolgung der Zeugen Jehovas, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 23, Gerlingen 1994, 145 ff.
[56] Geheime Staatspolizei München, 24. 12. 1936, vertraulicher Rundbrief, WTA Dok 24/12/36. Vgl. Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 343 f., Fußnote 92.
[57] Vgl. die Liste zeitgenössischer Zeitungsartikel in Johannes Wrobel, Die Videodokumentation „Standhaft trotz Verfolgung – Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime“. Eine Stellungnahme, Selters / Taunus 1997, 20 f.
[58] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 65 ff. Vgl. Jehovas Pleite, in: Völkischer Beobachter, Nr. 317, 13. 11. 1938, 3.
[59] Detlef Garbe in der „Standhaft“-Videodokumentation (Anm. 14) und bei Wrobel, Videodokumentation (Anm. 57), 9.
[60] Gebhard, Zeugen Jehovas (Anm. 15), 166.
[61] Pforzheimer Kurier, 10. 11. 1994.
[62] Marianne Brentzel, Nesthäkchen kommt ins KZ. Eine Annäherung an Else Ury 1877-1943. Frankfurt a. M. 1996, 186 f.
[63] I. Kirschbaum, How the Sect “Jehovah’s Witnesses” is Clandestinely Working to Undermine Hitler’s Regime, in: Der Tog, New York, 2. 7. 1939. Kirschbaum was former editor of the “Danziger Informator”.
[64] Inge Deutschkron, Emma Gumz, in: Sie blieben im Schatten. Ein Denkmal für „stille Helden“. Berlin 1996, 44 ff.
[65] Hans Rosenthal, Zwei Leben in Deutschland, Bergisch Gladbach 1980, 61 ff.
[66] Jehovas Zeugen, Geschichtsarchiv, Emmen, Niederlande.
[67] Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 106; Consolation (früher Golden Age) vom 26. 7. 1939, 4.
[68] Watchtower vom 15. August 1945, 256; Erwachet! (früher Goldenes Zeitalter) vom 22. 8. 1995, 11.
[69] Wrobel, How the Watchtower (Anm. 32), 287.
[70] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 343 f.; 419, Fußnote 406. WTA, LB Willi Karger, 16. Vgl. Jolene Chu, Comfort & Commiseration: Interweaving Narratives of Intergroup Encounters, in: Daniel J. Curran Jr. / Richard Libowitz / Marcia Sachs Littell (eds.), The Century of Genocide, Merion Station PA 2002, 231-247.
[71] Eva Fogelman, Conscience & Courage. Rescuers of Jews During the Holocaust, London 1995, 172.
[72] Michael H. Kater, Die Ernsten Bibelforscher im Dritten Reich, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 2 (1969), 187.
[73] Marvin James Penton, formerly one of Jehovah’s Witnesses, has authored several polemical works on the Witnesses. See Jolene Chu / James N. Pellechia, Jehovah's Witnesses and Jews: Diverse Paths, Parallel Journeys, Common Terminus, in: Sharon Leder / Milton Teichman (eds.), The Burdens of History: Post Holocaust Generations in Dialogue, Merion Station PA 2000, 41-59.
[74] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 105 f.; Fußnote 80, 82.
[75] Vgl. Der Traum des Negers, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 1. 10. 1925, 12; Der Welt größter Negerstaat modernisiert sich, in: dass. vom 1. 3. 1933, 72 ff. Bedrückung der Neger, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. März 1933, 84.
[76] Vgl. Chu / Pellechia, Jehovah’s Witnesses (Anm. 73), 41 ff.
[77] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 66.
[78] The Jews, in: Watchtower vom April 1881, 8 (Reprint, 214): “The condition of the Jews in Germany has long been one of exceptional honor and influence, and ‘In no country have they supplied such a large number of leading scholars, poets, judges, administrative officials, and politicians.’ But the old jealousy, which in the middle ages brought such terrible cruelties upon them, alike in Germany as elsewhere, seems still to exist, and has of late begun to manifest itself in the formation of ‘Anti-Semitic Leagues’ in Berlin and elsewhere.”
[79] Jewish Persecution in Poland, in: Golden Age vom 1. 10. 1919, 14. Vgl. Die Leiden der Juden von heute, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. 3. 1931, 86. Jolene Chu / James N. Pellechia, From Marginalization to Martyrdom: The Nazi Persecution of Jehovah's Witnesses, in: J. K. Roth / E. Maxwell (eds.), Remembering for the Future: The Holocaust in an Age of Genocide, Vol. 1, Hampshire 2001, 495-510.
[80] Dunn, The Death’s Head (Anm. 8), 158. Vgl. John Weiss, Ideology of Death – Why the Holocaust Happened in Germany, Chicago 1996, 313. Dunn stellt fest: „The Witnesses were free of German racial nationalism and had not brooded for centuries over the failure of the Jews to convert.“
[81] The Jews Returning to Palestine, in: Golden Age vom 1. 7. 1925, 638.
[82] Das Goldene Zeitalter, Bern, vom 1. 6. 1935, 10 bemerkt: „Herzls Plan über einen jüdischen Staat, die Zionistische Bewegung und die Juden überhaupt, haben keine Beziehung und keine Verbindung mit der Bibelforscher Vereinigung.“ JZ lehnten die Teilnahme an Aktivitäten politischer Parteien und Kampforganisationen ab; siehe Goldenes Zeitalter, Bern, vom 1. September 1925, 366.
[83] Vgl. Einsichten über die Heilige Schrift, Bd. 2, Wachtturm-Gesellschaft, Selters / Ts. 1992, 1216 ff.; Unterredungen anhand der Schriften, Wachtturm-Gesellschaft, Selters / Ts. 1990, 249 ff.
[84] Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. 4. 1930, 124: „Wo immer Rassenhaß sich zeigt, ob – wie in Amerika – beim Negerhaß der Weißen, im Antisemitismus oder sonstwo, ist er der Beweis des Vorhandenseins eines Minderwertigkeitskomplexes bei denen, die ihn üben.“
[85] Die Nationalsozialisten bemerkten den Wechsel: „Neuerdings reden sich die Bibelforscher mit der Ausrede heraus, daß Russells Erklärungen sich mehr auf die geistige Herrschaft Israels bezügen (sic!) und mehr bildliche Redensarten seien. Das aber sind nur faule Ausreden. Alle Prophezeiungen über Israel beziehen sich auf das fleischliche Israel, wie sich auch die von den Ernsten Bibelforschern ersehnte Herrschaft der Juden ja nicht nur auf Palästina beschränkt, sondern vielmehr die ganze Welt umfaßt“, Seifert-Reichenbach, Wie kam man auf die Vermutung (Anm. 55), 6.
[86] Der Gipfel der Gemeinheit, in: Wilhelmshavener Zeitung, 2. Beilage, 18. 7. 1935. Vgl. Leben, Wachtturm-Gesellschaft, Magdeburg 1929, 206.
[87] The Jews and the Palestine Mandate, in: Awake! vom 15. 8. 1945, 24 f. Vgl. Chu / Pellechia, Jehovah’s Witnesses (Anm. 73), 41 ff.
[88] Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium (Anm. 3), 105.
[89] Alles zum Besten, in: Goldenes Zeitalter, Bern, 15. 6. 1925, 282 f.; Die Wiederherstellung Israels, in: ibid.
[90] So schrieb der „Bund“ vor hundert Jahren, in: Der Bund, Bern, vom 1. 9. 1997.
[91] Wolfgang Schneider, Man spürt nichts als Kultur. Blüthenzweig und Co.: Die Juden im Werk Thomas Manns – Eine Bestandsaufnahme vor der Tagung der Thomas-Mann-Gesellschaft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. 8. 2002, 36.
[92] Das Britische Reich im Herzen New Yorks, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. Mai 1933, 159; vgl. 350 Wagenladungen Gold, in: dass. vom 15. 6. 1933, 203.
[93] Vgl. Anzeige „Christen für Israel“, in: Die Welt vom 3. 8. 2001, 5 f., wo Antisemitismus, Antizionismus, Antiisraelismus und Antijudaismus aus heutiger Sicht definiert werden.
[94] Judge Rutherford’s Testimony at the Harbeck Trial at Berne, in: Golden Age, vom 21. 10. 1936, 44. Vgl. Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1987, 153; Bibelforscher, Juden, Freimaurer, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 15. 5. 1935, 11 ff. und 1. 6. 1935, 9 ff.
[95] Antisemiten behaupteten: „Nachdem festgestellt worden ist, daß die Ernsten Bibelforscher eine Zweigorganisation der jüdischen Geheimregierung bilden, ist klar geworden, daß die Abwehr gegen dieselben die gleiche sein muß wie gegen das gesamte Judentum überhaupt.“ Siehe Leonhard Miksch, Die Ernsten Bibelforscher. Mit einem Anhang: Die Gerichtsverhandlung in St. Gallen wegen der Frage: Werden die „Ernsten Bibelforscher“ mit amerikanischem Judengeld für ihre Zersetzungsarbeit bezahlt? Lorch / Württemberg 1925, 31; zitiert nach Zürcher, Kreuzzug gegen das Christentum (Anm. 3), 60.
[96] Vgl. Yonan,Spiritual Restistance (Anm. 8), 319. Wrobel, Videodokumentation (Anm. 57), 20.
[97] Ein Blick in die Geschichte der Gewerkschaften, in: Goldenes Zeitalter, Bern, 1. 11. 1925, 38 ff.; Die Finanzvampire, in: dass. vom 1. 12. 1934, 13. Die Drangsal wird heraufbeschworen, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, 1. 1. 1933, 31; Verkaufsrummel am laufenden Band, dass. vom 15. 2. 1933, 54 f.; Eine Ode auf den Bankier, dass. vom 1. 4. 1933, 103 f.
[98] Das Ende der Bedrückung ist nahe, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. 3. 1933, 84 f.
[99] Industrielle Unternehmungen in Palästina, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. 6. 1933, 198.
[100] Jolene Chu, Purple Triangles: Witnesses to the Holocaust, in: Judaism Today, No. 14, London Winter 1999-2000, 16 ff., wo es heißt: „See ‚Watchtower Reprints of the Holocaust–1933-1946‘, in the collection of the U.S. Holocaust Research Institute, Washington, D.C. The multivolume set contains more than 1,200 photocopied pages of magazines, booklets, books, and tracts printed by the Watch Tower Society.“
[101] Hitler’s Terror of the Jews, in: Golden Age vom 6. 5. 1936, 505; Insane Treatment of Jews, in: dass. vom 10. 3. 1937, 360 ff.; The Tragedy of Germany, in: dass. vom 4. 5. 1938, 7 f.
[102] Golden Age vom 9. 10. 1935, 6.
[103] Der Rassenmythus des XX. Jahrhunderts, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 1. 7. 1935, 13.
[104] Salonfähige Juden, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 1. März 1933, 80.
[105] J. Lowell Bito, The German Crisis, in: Golden Age vom 4. 1. 1933, 206 ff.
[106] Was verstehen Jehovas Feinde unter „international“?, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 15. 2. 1933, 50 f.
[107] Vgl. Weshalb Jerusalem errettet wurde, in: Wachtturm vom 15. 6. 1933, 186 ff. (übersetzt aus Watchtower vom 15. 5. 1933; die Magdeburger und Berner Ausgaben sind identisch).
[108] Revue, in: Goldenes Zeitalter, Magdeburg, vom 1. 5. 1933, 143. Vgl. die Nachrichtenrubrik „Revue“ in allen anderen Magdeburger GZ-Ausgaben.
[109] Der Januskopf des Nationalsozialismus, Trost, Bern, vom 15. 11. 1938, 12 f.
[110] Die Überführung der Gebeine Herzls nach Erez Israel, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 15. 12. 1934, 16.
[111] Goldenes Zeitalter, Bern, vom 1. 6. 1935, 10.
[112] Hinweise auf die moderne jüdische Geistlichkeit finden sich in den JZ-Schriften selten, eine Ausnahme bildet u.a.: Eine jüdische Abteilung im Moskauer antireligiösen Museum, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 1. 3. 1933, 71.
[113] Zitiert nach Hesse / Harder, „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müßte …“ (Anm. 9), 185.
[114] Die Judenverfolgung in der Neuzeit, in: Erwachet! vom 8. 3. 1957, 17 ff. Vgl. Jewish Persecution in Modern Times, in: Awake! vom 22. 12. 1956, 17 ff.
[115] In 3. Mose, Kapitel 26, Vers 14-33 (Elberfelder Bibel, 1905) heißt es auszugsweise: „Wenn ihr mir aber nicht gehorchet und nicht alle diese Gebote tut […] werde ich [euch] unter die Nationen zerstreuen, und ich werde das Schwert ziehen hinter euch her; und euer Land wird eine Wüste sein und eure Städte eine Öde.“
[116] Palästina, in: Goldenes Zeitalter, Bern, vom 15. 12. 1933, 388 ff.
[117] Rundfunkansprache von J. F. Rutherford, Filmclip vom 2. 10. 1938, zitiert nach „Stand Firm“- Videodokumentation (Anm. 14); deutsch zitiert nach Wrobel, Videodokumentation (Anm. 57), 6.
[118] Yonan, Spiritual Resistance (Anm. 8), 30 ff.; Zürcher, Kreuzzug gegen das Christentum (Anm. 3), 70 f.
[119] Hesse, „Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas“ (Anm. 9), 396.
[120] Landtag von Baden-Württemberg, Pressemitteilung 04/2003, 27. 1. 2003 (Anm. 4).
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