Erika Krämer: "Mögen die Tage der Gesetzlosen bald ein Ende haben, möge der Kriegslärm bald verstummen." Zur Biografie des Zeugen Jehovas Jakob Krämer, in: Informationen - Studienkreis Deutscher Widerstand, Frankfurt/Main, http://www.studienkreis-widerstand-1933-45.de/archiv/xxinfo/he59.html, Nr. 59, Mai 2004, S. 17-20.


ZITATE

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[…] Am 11. Februar 1935 fand der Prozeß gegen Jakob Krämer und sieben Mitangeklagte vor dem Sondergericht Darmstadt statt. Jakob Krämer wurde zu zwei Monaten Haft verurteilt, die Untersuchungshaft von 8 Wochen rechnete man ihm an. Am 14. Februar 1935 öffneten sich die Gefängnistore.

Abendmahlsfeier trotz Verbot;
zweite Verhaftung

Doch die Freiheit währte für Jakob Krämer nicht lange. Sein Glaube war durch die Haft nicht zerstört worden. Im Gegenteil, die Erfahrungen bestärkten ihn, für seine Überzeugung einzustehen. So war es für ihn selbstverständlich, das jährliche Abendmahl am 17. April 1935 trotz Verbot gemeinsam mit anderen Zeugen Jehovas zu feiern. Schon Tage vorher hatte er sich mit Hans Amendt aus Worms in dessen Wohnung verabredet, um die Feier zu begehen.

Für den 17. April war reichsweit ein Erlass an die Polizeibehörden ergangen, nach 18 Uhr Wohnungen aller bekannten Bibelforscher aufzusuchen bzw. Hausdurchsuchungen bei ihnen durchzuführen. Auch Hans Amendt bekam "Besuch". Die Polizei verhaftete drei Zeugen Jehovas – neben Amendt noch Jakob Krämer und Julius Kühn.

Die drei Männer kamen für einige Tage ins das Gefängnis Worms und wurden am 23. April 1935 zur "Schutzhaft" in das KZ Dachau überstellt. Noch im Gefängnis Worms fiel Jakob Krämer wieder "unangenehm" auf: Er las laut aus dem Buch "Augustinus und seine Bedeutung für die Gegenwart" vor, "damit seine beiden gleichzeitig in Schutzhaft befindlichen Glaubensgenossen, Amendt und Kühn, die in anderen Zellen untergebracht sind, mithören konnten. Der Inhalt dieses Buches deckt sich mit den Anschauungen der Zeugen Jehovas". Das Buch wurde ihm abgenommen und Meldung gemacht.

Am 7. Juni 1935 Weil erstattete die Gestapo Anzeige gegen die drei inhaftierten Zeugen Jehovas Krämer, Amendt und Kühn. Die Anzeige schließt wie folgt: "Bemerkt wird, daß die Veranzeigten erklärt haben, daß ihnen das Verbot ihrer Organisation bekannt gewesen sei, daß aber Menschen ihnen nichts verbieten könnten und daß sie nur ihrem Gott Jehova gehorchen würden."

Zur Vernehmung wurden die Beschuldigten am 12. Juni 1935 aus dem KZ Dachau, wo sie sich in "Schutzhaft" befanden, dem Amtsrichter in Dachau vorgeführt. Gegen Jakob Krämer und seine beiden Mitangeklagten wurde der Vorwurf erhoben, "Propaganda" für die Bibelforscher betrieben und "ihren organisatorischen Zusammenhalt aufrecht erhalten zu haben, indem sie auf öffentlichen Straßen Flugzettel verteilt und bei jeder Gelegenheit auch mündlich für ihre Lehre Propaganda machten". Als Ergebnis seiner Ermittlungen bezeichnete sie der Amtsrichter als "Fanatiker", die erklärten, "nur Jehova und nicht den Menschen zu gehorchen". Eine Verhandlung vor dem Sondergericht Darmstadt wurde beantragt und eine entsprechende Anklageschrift verfaßt.

Der Prozeß vor dem Sondergericht Darmstadt, das in Worms tagte, fand am 2. Juli 1935 statt. Dabei wurden die mittlerweile vier Angeklagten Bibelforscher zu harten Strafen verurteilt. Als "Anführer" erhielten Jakob Krämer und Heinz Amendt mit zwei Jahren Gefängnis die Höchststrafe.

Im Rahmen seines Entschädigungsverfahrens berichtete Jakob Krämer am 3. Mai 1948 der Betreuungsstelle für die NS-Verfolgten in Frankfurt/Main über Misshandlungen: "Zum 2. Male wurde ich anläßlich der Abendmahl-Feier verurteilt. Zuerst kamen wir, das waren Heinz Amend, Julius Kühn und ich, nach Dachau. Dort wurden wir schwer mißhandelt von der SS. Nach 4 Wochen wurden wir weggeholt und kamen nach Worms zur Gerichtsverhandlung. Dort wurden Heinz Amend und ich zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt".

Was mit seinem Geschäft in dieser Zeit geschah, ist ebenfalls den Entschädigungsakten zu entnehmen: "Meine in meiner Werkstatt stehenden Möbel, die inzwischen von meinem Gehilfen fertiggestellt worden waren, verfielen der Beschlagnahme. Wenige Tage nach meiner Verurteilung bzw. Inhaftierung musste die Werkstätte geräumt werden, und alle meine Einrichtung samt den Werkzeugen wurden fortgeschafft samt meiner Wohnungseinrichtung. Als ich am 2. Juli 1937 wieder aus dem Gefängnis heimkam, fand ich nichts mehr von all den Dingen vor." 1957, als die "Wiedergutmachung von Vermögensschäden" noch immer nicht erfolgt war, schrieb Jakob Krämer an das Amt für Wiedergutmachung: "Sind nicht durch die Massnahmen der N.S. alle diese meine Existenz, meine Habseligkeiten, meine Betriebseinrichtung, einschließlich meine fertigen Möbel u. halbfertigen sowie Holzvorräte völlig vernichtet worden? Ja, ich war auch nicht in der Lage, mein Bargeld mitzunehmen. Ich habe aber noch gesehen, wie die Gestapo Schergen einen Teil meiner Sachen auf ein Auto luden, und dann kam ich erst nach 2 1/2 Jahren wieder".

Die meiste Zeit seiner Gefängnisstrafe verbrachte Jakob Krämer in den Emslandlagern. Mit Zwischenstationen in Butzbach (15. Juli 1935 bis 13. Dezember 1935) und Freiendiez (13. Dezember 1935 bis 30. März 1936) kam er ins Zentralgefängnis Papenburg. Anschließend wurde er ins Moorlager II Aschendorfermoor (31. März 1936 bis 2. März 1937), Lager III Brual-Rhede (2. März 1937 bis 7. Juni 1937) und schließlich ins Lager V Neu-Sustrum (7. Juni 1937 bis 2. Juli 1937) gebracht. Er selbst gab an: "Meine Haftzeit verbrachte ich vom Juli 35 – 2.7.37 im Lager Papenburg Lager Emsland-Moor (Lg. 2, 3, u. 5). Hier waren wir schweren Misshandlungen ausgesetzt."

Kriegsdienstverweigerung;
dritte Verhaftung

Nach der Entlassung aus den Moorlagern kehrte Jakob Krämer in die Heimat zurück. Darüber schrieb er: "Nach einer kurzen Zeit die [ich] bei meiner Mutter verbrachte, bekam ich Arbeit in einer Tischlerei in Worms." Seit dem 14. Dezember 1938 war er bei "Müller" gemeldet. Er berichtet weiter: "[Ich] stand andauernd unter strenger Beobachtung und wurde am 28. August 1940 wiederum von der Gestapo Worms verhaftet, weil ich meinem Gestellungsbefehl zum Militär keine Folge leistete. Kam deshalb sofort in das KZ Lager Dachau." An anderer Stelle schrieb er: "Auf dem Weg nach dem KZ Dachau musste ich schwere Misshandlungen erdulden. Man wollte mich unbedingt zum Wehrdienst zwingen."

In Dachau wurde Jakob Krämer am 15. November 1940 als Zugang registriert. Er erhielt die Häftlingsnummer war 21569 und wurde als Bibelforscher mit dem lila Winkel gekennzeichnet. In der Häftlingskartei ist auch vermerkt, daß er sich zum zweiten Mal in Dachau befand.

Dachau – Neuengamme
– Ravensbrück

Am 23. Januar 1941 wurde Jakob Krämer zusammen mit 483 weiteren Häftlingen in das KZ Neuengamme transportiert. Die Transportliste nennt 29 Bibelforscher, dazu einen Zeugen Jehovas, der zum zweiten Mal im KZ Dachau war – dies ist Jakob Krämer, der in der dazugehörenden Namensliste an 181. Stelle aufgeführt wurde.

In Neuengamme bzw. in einem Außenkommando auf der Ostseehalbinsel Darß war Jakob Krämer wiederum schweren Misshandlungen ausgesetzt, die ihm bleibende körperliche Schäden zufügten. In einer eidesstattlichen Erklärung beschrieb er darüber: "Ich, Jakob Krämer, war vom Aug. des Jahres 1940 an im Konz. Lager. Im Januar des Jahres 1941 wurde ich mit anderen Häftlingen in die Gegend des Leuchtturms Darß a. d.Ostsee gebracht. In Wiek war das Quartier. Jeden Morgen bei Dunkelheit wurden wir zum Rohrschneiden auf die zugefrorenen Seen und Teiche gebracht. Durch das Herumtrampeln v. 40 Mann barst die Eisdecke nach kurzer Zeit und wir standen den ganzen Tag bei 15 Grad Kälte bis an u. über die Knie im Wasser. Wer nicht gleich ging, wurde geschlagen und getreten. Viele Mithäftlinge sind dabei umgegangen (d.h. umgekommen). Ich bekam ein böses Bein mit 5 tiefen Wunden und eine Bronchitis […]"


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