Gerald Hacke: Zwei Diktaturen - Ein Feind. Die Verfolgung der Zeugen Jehovas im nationalsozialistischen Deutschland und in der DDR, in: Günther Heydemann / Heinrich Oberreuter (Hgg.): Diktaturen in Deutschland - Vergleichsaspekte. Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 2003, S. 283-308, http://www.bpb.de/publikationen/XBWFZO,0,0,Diktaturen_in_Deutschland_Vergleichsaspekte.html (deaktiviert)


Inhaltsübersicht

1. Vorüberlegungen - 283 Zitate, Seite 283

2. Glaubensvorstellungen der Zeugen Jehovas in Bezug auf Staat und Politik - 284

3. Die Verfolgung der Zeugen Jehovas im nationalsozialistischen Deutschland - 286

4. Die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der DDR - 292

5. Die Verfolgung in vergleichender Persektive - 298

Anmerkungen - 303


Zitate

[S. 283]

"[...] Warum ist es sinnvoll, sich in einer vergleichenden Studie mit einer Religionsgemeinschaft zu beschäftigen, deren Anteil an der Bevölkerung im Promillebereich lag?

Zunächst fällt die Tatsache ins Auge, dass die Zeugen Jehovas eine der wenigen Gruppen sind, die in beiden Diktaturen in toto verfolgt wurden. Zweitens umfasst die Verfolgung der Zeugen Jehovas fast alle denkbaren staatlicher Repression. Das betrifft Eingriffe in das Glaubens- und Berufsleben, in den Bildungsweg, geht mit Psychiatrisierung und Kindesentzug auch in den privatesten Bereich hinein und setzt sich fort über die justizielle Repression bis hin zum außernormativen physischen Terror. Drittens sind die Opferzahlen in Anbetracht ihrer geringen Mitgliederzahl überproportional hoch, auf bestimmten Gebieten der politisch motivierten Unterdrückung spielen sie sogar eine exponierte Rolle (z. B. der Wehrdienstverweigerung).

An einem exemplarischen Beispiel können Entwicklungslinien der Herrschaftsausübung in ihrer Dynamik wie auch in ihrer Begrenztheit nachgezeichnet werden. Es können Träger der Verfolgung benannt und in ihrem kooperativen oder konkurrierenden Verhältnis dargestellt werden. Zudem wird eine Fülle von Politikfeldern gestreift und das Verhältnis von Wahrnehmung und Praxis untersucht. Auch die Einbeziehung der Bereiche der

[S. 284]

Herrschaftsausübung, die der physischen Vernichtung des Gegners gedient haben, erweist sich nicht als Hindernis für einen Vergleich, verdeutlicht sie doch trotz ähnlich funktionierender Unterdrückungsapparate die nicht zu verkennenden Unterschiede beider Regime.

Die Studie lehnt sich in ihrer Struktur einem Vier-Phasen-Modell an, welches die jeweilige Diktatur in Herrschaftsübernahme (1933/34; 1945-1949), Herrschaftssicherung (1935-1938/39; 1950-1961), voll funktionierende Herrschaft (1939-1942; 1961-1985) und Auflösung (1943-1945; 1985-1989) gliedert. Somit werden auch Entstehungs- und Wachstumsbedingungen sowie die Verlaufsformen der Regime berücksichtigt. Die Darstellung des Umgangs beider Diktaturen mit der Glaubensgemeinschaft beschränkt sich auf die justizielle und geheimpolizeiliche Ebene. Anschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse in einem vergleichenden Überblick in die jeweilige Herrschaftsphasen eingeordnet und die Rolle und Bedeutung der Zeugen Jehovas eingeschätzt. Der Beitrag schließt mit Anmerkungen zum Einfluss derWahrnehmung auf das repressive Verhalten."

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