Francis L. Carsten: Widerstand gegen Hitler - Die deutschen Arbeiter und die Nazis, Frankfurt am Main / Leipzig 1996, S. 166-176.


Zitate

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VII  Die Zeugen Jehovas

"Eine hervorragende Rolle unter den Gegnern des Hitlerregimes spielte die christliche Sekte, die sich die Zeugen Jehovas oder Internationale Bibelforscher nannte. Ein höherer Prozentsatz ihrer Mitglieder wurde ermordet oder in Konzentrationslagern gefangengehalten als der irgendeiner anderen Gruppe. Keine andere Gruppe war so gut organisiert für illegale Propaganda, keine andere hatte mehr 'Märtyrer', die für ihren Glauben litten. Die große Mehrzahl ihrer Mitglieder waren einfache Männer und Frauen aus der Arbeiterschaft, Dienstboten oder kleine Angestellte, während die höheren sozialen Schichten in ihren Reihen kaum vertreten waren. [...]

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In den Konzentrationslagern bildeten Zeugen einen relativ hohen Anteil an den Häftlingen, in Buchenwald im Mai 1938 12 Prozent, in Mauthausen im Dezember 1939 5,2 Prozent, im zentralen Frauenkonzentrationslager Lichtenburg sogar 20 Prozent, mehr als irgend eine andere Gruppe. Selbst im Konzentrationslager setzten die Zeugen ihre Missionstätigkeit fort, hielten Gottesdienste, hatten Kontakt mit der Außenwelt und erhielten illegale Schriften, die geschickt eingeschmuggelt wurden, z.B. in Kuchen oder einem Holzbein versteckt. Auch in den Lagern verweigerten die Zeugen jede Art von Arbeit für den Krieg. Aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück wurde berichtet, daß Zeuginnen die Arbeit im Gemüsegarten trotz schärfster Strafen verweigerten, weil das Gemüse für ein SS-Lazarett bestimmt war, und ebenso keine Hilfe bei der Kaninchenzucht leisten wollten, weil die Wolle für Heereszwecke verwandt wurde.

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Auch in der Haft bildeten die Zeuginnen eine geschlossene Gemeinschaft, die sich scharf von den anderen Häftlingen abgrenzte.

Die Zeugen bewiesen Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Verfolgten, die sich verbergen mußten. Wie sich eine Berliner Jüdin erinnerte, wurde ihr und ihrer Mutter zuerst von den Besitzern einer kleinen Wäscherei geholfen, die heimlich für Juden wusch: "Ihre Hilfsbereitschaft kannte keine Grenzen." Viele Mitglieder gehörten zu den unteren Gesellschaftsklassen. In Hamburg waren 55,6 Prozent Arbeiter, 15,1 Hausangestellte, 12,6 Angestellte und 11 Prozent Rentner, zusammen fast 95 Prozent. In den rheinischen und westfälischen Städten muß die Zusammensetzung ähnlich gewesen sein. Ihr Glaube veranlaßte sie, außerordentlichen Mut und Standhaftigkeit zu zeigen, wie es die religiösen Märtyrer früherer Jahrhunderte getan hatten. In Prozentzahlen hatten sie mehr Opfer zu beklagen als die Kommunisten, und ihre illegale Organisation war viel besser als die der KPD. Sie lehnten alle Kompromisse ab und zeigten, was in Nazideutschland möglich war. Sie waren willens, dafür zu leiden, und sie litten, wie es ihr Glaube forderte."


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