Manuskript Pressegespräch
Hintergrundinformationen zum Video "Standhaft trotz Verfolgung"
Das Konzept für diese Videodokumentation nahm seinen Anfang am 29. September 1994 als im Holocaust Memorial Musem der Vereinigten Staaten in Washington D. C. ein internationales Seminar über Jehovas Zeugen, durch das die Geschichte dieser Minderheit und ihrer Verfolgung gewürdigt worden ist, abgehalten wurde. Das gab eigentlich den Anstoß für diesen Film. Es zeigte sich, daß hier ein Informationsbedarf u. a. für Wissenschaftler und Pädagogen bestand. Die Watch Tower Society machte sich daraufhin Gedanken, wie sie dieses Bedürfnis befriedigen könnte. Es wurde nötig, daß wir den wachsenden Fundus über unsere eigene Geschichte verfügbar machten. Historiker aus Europa und den USA nahmen damals Stellung dazu, und Zeitzeugen berichteten über ihre unmenschlichen Erfahrungen während der NS-Zeit.
Historikern und Pädagogen ist bekannt, was die Zeugen durchgemacht haben, und ihnen ist an Material gelegen, das sie im Unterricht über ihre Geschichte verwenden können. Historiker betrachten die Geschichte der Zeugen Jehovas als ein wertvolles Studienthema, um Geschichte, Toleranz und auch Ethik zu lehren.
Wie entstand die Musik zu der Videodokumentation, um nur eine Einzelheit herauszugreifen?
Die 30minütige Musik zur Dokumentation stammt von zwei Komponisten und wurde von Musikern der Sinfonieorchester von St. Louis und Colorado in den USA gespielt. Die Komponisten entschieden sich für ein Streichquartett, um eine breite Palette unaufdringlicher musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung zu haben, die für dieses Thema passend waren. Ein musikalisches Motiv basiert auf einem Lied, das ein Zeuge während seiner Haft in Sachsenhausen komponierte. Es wurde im Schlußteil verarbeitet und ist den Worten des Abschiedsgedichts von Franz Wohlfahrt unterlegt.
Nun zum Aufbau des Videos: Das Video ist in 7 Teile gegliedert. Der einführende Teil 1 stützt sich auf das internationale Seminar, das am 29. September 1994 in Washington (D.C.) am United States Holocaust Memorial Museum stattfand.
Der Teil 2 betitelt "Deutschland vor 1933" zeigt, daß die Bibelforscher (wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden) allgemein bekannt waren. Sie hatten eine große moderne Druckerei in Magdeburg und verteilten Millionen von Schriften, so daß sie in den 20er, Ende der 30er Jahre bereits zu einem Begriff geworden waren. Die Ideologen der Nazis beschäftigten sich mit ihnen und erkannten sehr schnell, daß die Bibelforscher Feinde waren, das heißt, sie erklärten sie zu Staatsfeinden, und das bewirkte dann ihre Verfolgung.
Der dritte Teil des Films schildert, wie 1933 die Menschenrechte in Deutschland außer Kraft gesetzt wurden, die Druckerei in Magdeburg geschlossen und das Werk der Zeugen Jehovas in Preußen, dem größten Land des Reiches, verboten wurde.
Teil 4 ist betitelt "Das NS-Regime greift an Klare Fronten". Warum griffen die Nazis Jehovas Zeugen an? Schrittweise wird gezeigt, wie die Verfolgung zunahm. Ein einfacher Gruß "Heil Hitler!" wird zum Stein des Anstoßes. Wirtschaftliche und soziale Sanktionen sowie Haftstrafen folgen. Kinder werden den Eltern weggenommen. Ein Sonderkommando der Gestapo wird gebildet. Sie jagen Zeugen Jehovas. Sie sperren sie ein, so daß schließlich ungefähr fünf bis zehn Prozent der KZ-Häftlinge in der Vorkriegszeit Zeugen Jehovas waren. Ja, sie gehören zu den ersten Häftlingen in Moringen, in Lichtenburg, in Ravensbrück, und sie waren beim Aufbau vieler anderer Lager in Deutschland beteiligt.
Teil 5 "Jehovas Zeugen erheben die Stimme": Veröffentlichungen der Watch Tower Society haben in den 30er und 40er Jahren auf die Schandtaten der Nationalsozialisten aufmerksam gemacht und natürlich auch auf ihre eigene Verfolgung. Es gab spektakuläre landesweite Aktionen: 1934 die Telegrammaktion an Hitler, 1936 eine landesweite Verteilung eines Flugzettels, 1937 ebenfalls eine Verbreitung eines Flugzettels. Jehovas Zeugen haben damit über ihre Interessen hinaus auf die Verbrechen des NS-Regimes aufmerksam gemacht.
Teil 6 ist praktisch der Höhepunkt: "NS-Verfolgung eskaliert Todesurteile". Nach Kriegsausbruch wurde es besonders gefährlich, Zeuge Jehovas zu sein. Todesurteile gehörten zur gängigen Praxis der NS-Kriegsjustiz.
Der letzte Teil "1945 Jehovas Zeugen blieben standhaft": Die Zwangsevakuierungen der Konzentrationslager, die sogenannten Todesmärsche, die Tragödie in der Lübecker Bucht und der Untergang der Cap Arcona werden von Zeitzeugen geschildert. Die Filmdokumentation endet mit einem Gedicht.
Die Dokumentation wird in 24 Sprachen übersetzt. Die erste Produktion in Deutsch und Englisch beträgt 500 000 Kopien.
Lassen Sie mich noch zum Schluß ein Zitat von einem Theologen aus dem Jahre 1938 anführen. Er publizierte in der sozialistischen Wochenzeitung "Der Aufbau" in Zürich und schrieb am 19. August 1938: "Wer diese Schriftstücke ehrlich auf sich wirken läßt [und ich meine damit auch unser Video], der wird nun die verfemten Ernsten Bibelforscher in einem etwas neuen Licht sehen. Er wird den Stab nicht mehr schnell und selbstbewußt über ihnen brechen und wird der eigenen Kirche ein Glütlein von ihrer Überwindereinfalt wünschen."
Wir freuen uns, der Öffentlichkeit eine bemerkenswerte, gut recherchierte Dokumentation über ganz gewöhnliche Menschen präsentieren zu können, die angesichts scheußlicher Greultaten auf außergewöhnliche Weise reagierten. Während die Überlebenden dieser Tragödie ihr Lebensende erreichen, hinterlassen sie uns ein Vermächtnis des Glaubens, des Mutes und des Triumphes.
Berlin, Sorat-Hotel, 6. November 1996