INFORM Wochenzeitung mit den öffentlichen Bekanntmachungen der Verbandsgemeinde Hachenburg der Ortsgemeinden und Zweckverbänden. "Die Heimat- und Bürgerzeitung", Jg. 32, Freitag, 22. April 2005, Nr. 16, S. 9, 10:
Ausstellung eröffnet viele Schulklassen
NS-Verfolgungsgeschichte der
Zeugen Jehovas in Hachenburg
noch bis zum 7. Mai
Bürgermeister Peter Klöckner eröffnete am 6. April in den Räumen der Stadtbibliothek Hachenburg die Ausstellung "Standhaft trotz Verfolgung Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime". Er betonte, dass hinter Geschehnissen Namen von Tätern, Mitläufern und Namen von Opfern stehen. Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Mai in Hachenburg zu sehen. Bundesweit besuchten die Wanderausstellung bereits 650 000 Personen.
Der Arbeitskreis Spurensuche Nationalsozialismus im Westerwald hatte im Vorfeld Institutionen angeregt, bei der regionalen Aufarbeitung aktiv mitzuwirken. Es ist dem Arbeitskreis ein besonderes Anliegen, junge Menschen für das Thema Nationalsozialismus im Westerwald zu interessieren. Weiterführende Hinweise sind im Internet unter www.WW-Spurensuche.de zu finden.
Unter den anwesenden Zeitzeugen war auch Magdalene Reuter, geb. Kusserow. Am Leidensweg ihrer Familie zeigt sich die Tragweite, die es mit sich brachte, damals ein Zeuge Jehovas zu sein. Zwölf Glieder der 13-köpfigen Familie Kusserow waren wegen ihres Glaubens als Zeugen Jehovas in Gefängissen, Zuchthäusern oder Konzentrationslagern inhaftiert oder in NS-Erziehungsheimen untergebracht. Zwei Söhne sind wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet worden.
1. Der Vater Franz Kusserow. Er war von 1936 bis 1937 im Gefängnis Paderborn und Bielefeld. Von 1938 bis 1940 in den Gefängnissen Bielefeld, Paderborn, Bochum und Diez/Lahn. Im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden von 1941 bis 1945.
2. Die Mutter Hilda. 1936 im Gefängnis Paderborn. Zuchthaus Anrath bei Krefeld von 1941 bis 1943. Danch bis 1945 im KZ Ravensbrück.
3. Die Tochter Hildegard. Zuerst Haft im Frauenjugendgefängnis Vechta von 1941 bis 1942; danach KZ Ravensbrück.
4. Die Tochter Annemarie wurde zu 4 Jahren Zuchthaus und 4 Jahren Ehrverlust verurteilt; danach ins Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel überführt.
5. Der Sohn Wilhelm. Ende 1939 verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis nach Münster/Westfalen gebracht. Einen Tag vor seiner Hinrichtung schrieb er am 26. April 1940 einen Abschiedsbrief. Am 27.4.1940 in Münster erschossen.
6. Der Sohn Karl-Heinz. Er sprach am 1.5.1940 am Grab seines Bruders Wilhelm, worauf er am 22. Juni 1940 verhaftet wurde. Vom Juli bis Aug. 1940 im Polizeigefängnis Bielefeld, Aug. 1940 bis Okt. 1942 im KZ Sachsenhausen; vom Okt. 1942 an im KZ Dachau.
7. Die Tochter Waltraud. Sie wurde 1941 festgenommen; Untersuchungshaft in Paderborn und Essen; Gefangenenlager Oberems in Gütersloh bis Mai 1944.
8. Wolfgang wurde am 28.3.1942 in Brandenburg hingerichtet.
9. Magdalena. Haftbeginn im April 1941: Vom Sondergericht Bielefeld zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt (Vechta), danach Polizeigefängnis Bielefeld bis sie 18 Jahre alt war; danach KZ Ravensbrück. Zusammen mit ihrer Mutter 1945 befreit.
10. Paul-Gerhard Kusserow. Er kam in ein NS-Kinderheim.
11. Elisabeth. Sie kam ebenfalls in ein NS-Kinderheim. Genau wie ihr Bruder
12. Hans Werner. Die Kinder wurden im April 1945 befreit.
Insgesamt verloren etwa 1 400 Zeugen Jehovas in den Jahren 1933-1945 ihr Leben. Allein 270 wurden hingerichtet, weil sie sich nicht am Kriegsdienst beteiligten. Tausende kamen in Haft und in Konzentrationslager, weil sie u.a. den Hitlergruß verweigerten.
Die Besucher, Einzelpersonen oder Schulklassen, werden durch geschulte Begleiter in die Thematik eingeführt und durch die Ausstellung geleitet.
Die Initiatoren wünschen sich, dass sich noch viele entschließen, die Ausstellung zu besuchen, denn "wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart".